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Rubrik: Flugplätze Translation: English French Spanish Italian Dutch Danish Polish Russian
Der Fliegerhorst Delmenhorst-Adelheide
 Bis 1945: 
Im Rahmen der allgemeinen Aufrüstung richtete die NSDAP bereits 1934 südlich der Stadt Delmenhorst auf einem militärischen Übungsgelände ein Flugfeld ein. Hier führte die Partei-Organisation NS-Fliegerkorps die Schulung von Piloten auf Segelflugzeugen durch. Schon im April des Folgejahres begannen die Bauarbeiten zur Errichtung eines Fliegerhorstes. Es entstanden die üblichen Bauten, aufgeteilt in Administrations-, Flugbetriebs- und Unterkunftsbereich. Neun Flugzeughallen und eine Werfthalle stellten die größten Bauwerke des Flugplatzes dar. Zahlreiche Unterkunftsblocks sind errichtet worden. Sie waren in Komplexe aufgeteilt, die mit Städtenamen oder Namen von Kampfpiloten des I. Weltkrieges versehen waren. Die Liegenschaft erhielt später den Namen „Boelcke-Kaserne“. Die Startbahn war nicht befestigt, der Flugbetrieb wurde auf Grasnarbe durchgeführt. „Bootshaus“ lautete der Deckname des Platzes im Krieg. Direkt südwestlich an das Flugfeld angrenzend, befand sich der Standortübungsplatz „Große Höhe“. Auf ihm wurde ein Munitionsdepot eingerichtet. Zur Täuschung feindlicher Luftaufklärung ist rund sechs Kilometer westlich bei Uhlhorn ein Scheinflugplatz angelegt worden.
Der Fliegerhorst Adelheide wurde Heimat einer Gruppe des Kampfgeschwaders „Boelcke“, dessen Geschwaderstab auf dem Fliegerhorst Langenhagen lag. Als erster Verband wurde in Delmenhorst am 2. April 1936 die I. Gruppe des Kampfgeschwaders 254 mit Junkers Ju 52-Behelfsbombern aufgestellt. Genau 1 Jahr später sind die Delmenhorster Flieger als III. Gruppe dem Kampfgeschwader 157 „Boelcke“ unterstellt worden. Es folgte die Umrüstung auf Bomber vom Typ Heinkel He 111. Am 1. Mai 1939 wechselte die Geschwader-Ziffer erneut, bis zum Kriegsende blieb es dann bei III./KG 27 „Boelcke“. Mit Beginn des II. Weltkrieges verließ die Gruppe Delmenhorst um an den verschiedensten Kriegsschauplätzen eingesetzt zu werden. Die Truppe kehrte nicht mehr nach Adelheide zurück.
In der folgenden Zeit waren, wie auf fast allen Militärflugplätzen üblich, im ständigen Wechsel verschiedene Bomber und Jäger-Gruppen auf dem Fliegerhorst stationiert. Allerdings zeigten sich nun die Schwächen der Anlage. Durch die Lage in einem Feuchtgebiet kam es recht häufig zu Nebelbildung. Außerdem war der Boden des Flugfeldes zu weich und bot zu wenig Tragfähigkeit für schwere Flugzeuge. Teilweise sind deswegen Bomber leer nach Bremen-Neuenlander Feld geflogen, um dort aufmunitioniert zu werden.
Ab Frühjahr 1941 wurden kaum noch Einsätze von Kampfgeschwadern ab Delmenhorst geflogen. Stattdessen sind vermehrt Jagdverbände stationiert worden, die zur Abwehr der immer massiver einfliegenden alliierten Bomberflotten starteten. Zum Schutz der Jagdflugzeuge errichtete man im Wald auf dem Standortübungsplatz diverse Splitterschutzboxen.
Diverse militärische Dienststellen der Luftwaffe, die nicht unmittelbar mit der Fliegerei zu tun hatten, waren in der Liegenschaft beheimatet. Das „Kommando Flughafenbereich Delmenhorst“ war für die Betreuung fast aller Luftwaffen-Einheiten im Bereich von Südoldenburg bis zur Nordseeküste zuständig. In Hollen, etwa 8 km nördlich des Flugplatzes gelegen, ist vermutlich in diesem Zusammenhang eine Funkstation errichtet worden. Zeitweilig war eine Gerätestelle des Technischen Dienstes auf dem Flugplatz stationiert. Eine von wenigen Justieranlagen für Kompasse, die in Luftwaffe existierten, befand sich ebenfalls in Adelheide. Außerdem gab es eine Grundausbildungskompanie der Luftnachrichtentruppe.
Nachdem sich ab 1941 die Flugbewegungen reduzierten, begann eine zweite Funktion für die Anlage. Die in der Umgebung vorhandene Luftfahrtindustrie nutzte den Standort zunehmend für ihre Zwecke. Die Bremer Firma „Weser“-Flugzeugbau besaß in Lemwerder einen Werksflugplatz, auf dem Sturzkampfbomber Junkers Ju 87 endmontiert wurden. Die fabrikneuen Maschinen steuerten beim Einfliegen Adelheide an, um hier abgefertigt zu werden.
Der ebenfalls in Bremen ansässige Konzern Focke-Wulf verlegte im Juni 1941 seinen Musterbau auf den Fliegerhorst, um ihn der wachsenden Gefährdung des Hauptwerkes durch Bombardierungen zu entziehen. Der neue Betriebsstandort erhielt die offizielle Bezeichnung „Focke-Wulf-Außenwerk 8 - Musterbau“. Zeitweilig ist im Werk rund um die Uhr an allen Wochentagen gearbeitet worden. In Spitzenzeiten sind hier fast 2.000 Arbeitskräfte beschäftigt gewesen. Mindestens ¼ davon waren Fremd- oder Zwangsarbeiter, die in Baracken auf dem Fliegerhorst einquartiert wurden. Die zahlreichste Gruppe stellen dabei Russen, dazu kamen weitere aus den Niederlanden, Frankreich und Italien. Das deutsche Personal bestand zum Großteil aus dienstverpflichten Fachkräften aus dem gesamten Reichsgebiet. Sie wohnten im sogenannten Werkhof, einem abgesperrten Teil des Kasernengeländes.
Der Musterbau übernahm die große Werfthalle des Fliegerhorstes und zwei benachbarte Gebäude für seine Zwecke. Das Gelände war separat umzäunt und vom Werkschutz bewacht. Gefertigt wurden Prototypen und Experimentalobjekte. Darunter waren komplette Flugzeugentwicklungen, wie die Fw 190 G und die Fw 191. Aber auch Entwicklungen von Flugzeugbewaffnungen sind angefertigt worden, z.B. Torpedos unter Jagdflugzeugen und Flakgeschütze unter der Junkers Ju 88. Abseits der Liegenschaft wurde für den Musterbau ein Tanklager für Wasserstoffperoxid angelegt.
Die dritte industrielle Verwendung des Flugplatzes stellte die Nutzung durch den Hersteller Focke-Achgelis aus dem rund 7 km nördlich gelegenen Hoykenkamp dar. Dort wurde in geringer Stückzahl der Hubschrauber Fa 223 „Drache“ produziert. In Delmenhorst-Adelheide sind die Maschinen eingeflogen worden.
Es gab während des Krieges nur wenige Luftangriffe auf die Liegenschaft. Die Schäden waren meist gering und schnell wieder behoben. Als im April 1945 die Alliierten sich Delmenhorst näherten, wurde der Fliegerhorst zur Sprengung vorbereitet. Die Wehrmacht führte die Zerstörung allerdings nicht mehr durch. In den Wirren der letzten Kriegstage wurden zahlreiche Materialien und Einrichtungen von der Delmenhorster Bevölkerung aus der Kaserne abtransportiert.
Ab 16. April 1945 lag der Fliegerhorst in Reichweite britischer Artillerie. Am Morgen des 19.04. besetzte die schottische 51. Highland-Division den Platz und beendete den II. Weltkrieg für die Gegend.

 Ab 1945: 
Nach der Besetzung des Fliegerhorstes durch die Briten richteten diese die Anlage als ein Sammelpunkt für Displaced Persons ein. Rund 30.000 ausländische Arbeitskräfte aus dem gesamten Weser-Ems-Gebiet sind hier zusammen gezogen worden. Bereits im August 1945 waren alle DP's wieder abgezogen. Zeitgleich begannen die Demontage der Einrichtungen und die Sprengung der militärischen Anlagen. Die Flugzeughallen wurden niedergerissen, verschiedene Anlagen gesprengt. Die Unterkunftsgebäude blieben jedoch unversehrt. Kurzzeitig kamen deutsche Flüchtlingen in der Kaserne unter, sie wurden aber ausquartiert, da die Liegenschaft als Internierungslager für Nazi-Funktionäre dienen sollte. Diese Aufgabe endete am 31. August 1948.
Anschließend konnte dort, auf Veranlassung der Militärregierung, das „Christliche Jugenddorf Adelheide“ eingerichtet werden. Aufgabe war die Betreuung heimatlos und elternlos gewordener Kinder und Jugendlicher. Die Einrichtung wurde von der evangelischen und der katholischen Kirche betrieben. Es ist ein Pachtvertrag für die Kasernenbauten bis 1965 abgeschlossen worden.
Im Jahre 1951 baute das britische Militär auf dem Grund des abgerissenen westlichen Flugbetriebsbereiches die St.-Barbara-Barracks als Quartier für Artillerie-Einheiten. Es bestand vollständig aus Holzbaracken.
Nach Aufstellung der Bundeswehr fiel deren Aufmerksamkeit auf den ehemaligen Fliegerhorst. Es bestand großes Interesse, die Einrichtung deutlich vor 1965 zu übernehmen. So wurde das Jugenddorf in verschiedene außenliegende Einrichtungen umgesiedelt.
Bereits im Oktober 1956 ist die erste Einheit der Bundeswehr in die Boelcke-Kaserne eingezogen, die mittlere Instandsetzungskompanie 510. Sie wuchs später zum InstBtl 11 auf. 1959 wurde von Dedelstorf kommend, das PzGrenBtl 312 nach Adelheide verlegt. Nachdem die Briten ihre Einheiten aus den St.-Barbara-Bks 1963 abgezogen hatten, ist dieser Bereich mit der Boelcke-Kaserne zusammengefaßt worden. Die Bundeswehr errichtete dort neue Kasernenblocks in denen Artillerieverbände des ArtRgt 11 einzogen. Dieser Teil erhielt den Namen Barbara-Kaserne, 1966 bekam die Boelcke-Kaserne den Namen Feldwebel-Lilienthal-Kaserne. Anfangs trennte ein Zaun die Bereiche, später fiel die Trennung weg, es blieb aber bei zwei Kasernennamen. Für die im Laufe der Jahre immer zahlreicheren stationierten Verbände entstanden diverse neue Einrichtungen, wie Hallen und Abstellplätze. Sie wurden auf dem Grund des ehemaligen Flugbetriebsbereichs des Fliegerhorstes errichtet. Bis zum Ende des Kalten Krieges befand sich in Delmenhorst-Adelheide die größte Kaserne der 11. PzGrenDiv. Heute ist die Belegung stark reduziert, es bleibt aber ein wichtiger Standort der Bundeswehr.
In den Außenbereichen ergaben sich natürlich ebenfalls diverse Veränderungen. Das frühere Flugfeld wurde dem Standortübungsplatz einverleibt. Von 1962 bis 1973 betrieb die Bundesluftwaffe auf der Rollbahn eine Feldstellung für Nike-Flugabwehrraketen. Über das Thema berichtet eine separate Seite. Die Funkstation Hollen diente einige Zeit als Produktionsstätte, heute sitzt das „Regionale Umweltbildungszentrum Hollen“ darin.

 Zustand: 
In der Feldwebel-Lilienthal-/Barbara-Kaserne sind bis heute zahlreiche historische Gebäude erhalten. Das Gelände südlich der Kaserne ist klar als ehemaliges Flugfeld zu erkennen. Im Bereich des Munitionsdepots sind dagegen nur noch sehr wenige Überreste erkennbar. Die Überbleibsel der Splitterschutzboxen sind noch recht deutlich erkennbar.

 Zugang: 
Die Kaserne darf als Militärischer Sicherheitsbereich selbstverständlich nicht unbefugt betreten werden. Das Gelände des StOÜbPl ist außerhalb der Übungszeiten frei begehbar.

 Hinweis: 
Die IG Modell & Dioramenbau “Boelcke-Kaserne“ bildet den Fliegerhorst im Modell nach, siehe:
http://www.boelcke-kaserne.de
Blick aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Google Maps

Fotos:
Verwaltungsbereich:

Kommandantur
Schon vom Tor fällt der Blick auf die repräsentative Kommandantur

Hauptwache
Die Hauptwache des ehemaligen Fliegerhorstes

Fernsprechvermittlung
Der Bunker der Fernsprechvermittlung liegt halb erdversenkt

Materiallager
Historisches Materiallager

Kfz-Bereich
Südlich der Wache befindet sich ein weitläufiger Kfz-Bereich

Unterkunftsbereich:

„Boelcke“
Unterkunftskomplex „Boelcke“ in der Gegenwart, siehe Vergleichsbild bei den historischen Fotos.

Kasernenblock
Ein weiterer Kasernenblock

Krankenrevier
Das alte Krankenrevier ist auch heute der Sanitätsbereich

Turnhalle
Die große Turnhalle

Zentralküche
Gebäude der Zentralküche

Offizierkasino
Das Offizierkasino

Flugbetriebsbereich:

Waffenmeisterei
In der Waffenmeisterei befindet sich heute ein Mannschaftsheim

Benzin-Reinigungsanlage
Die Benzin-Reinigungsanlage

Duralbiegebad
Das Duralbiegebad wurde ab 1941 vom Focke-Wulf Musterbau genutzt

Motorenschlosserei
Ebenso die benachbarte Motorenschlosserei

Außenbereich:

Munitionsbunker
Letzter erhaltener Munitionsbunker am Rande des Flugfeldes

Munitionsdepot
Hier ist eine Straße im Munitionsdepot noch sichtbar

Splitterschutzzellen
Die verfallenen Splitterschutzboxen auf dem Standortübungsplatz sind noch deutlich erkennbar
Funkstation Hollen: Historische Fotos:
Startbahn
Blick über die Startbahn Richtung Osten
Hollen
Am Tor der ehemaligen Funkstation ist ein Luftwaffenemblem angebracht
„Boelcke“
Historisches Foto des Unterkunftskomplexes „Boelcke“
Unterkünfte
Blick von der Flugleitung auf die Unterkünfte in den 1930er Jahren
Appell
Appell des KG Boelcke, zu sehen sind die Luftfahrzeughallen 2 - 4.

Karte
Maßstab

Quellenangabe:
- Bundeswehr: 30 Jahre Bundeswehrstandort Delmenhorst
- Wichernstift
- Archiv Ralf-Werner Metschulat
- Archiv Logistikregiment 11, Delmenhorst-Adelheide
- Archiv Traditionsgemeinschaft Boelcke
- Archiv Bernhard Weiss
- Michael Holm: http://www.ww2.dk
 
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