Relikte.com
Zur StartseiteInfo über diese WebsiteÜbersicht der LiegenschaftenRelikte durchsuchenLiteratur-DatenbankHyperlink-DatenbankKontakt zum Webmaster
Rubrik: Munitionsproduktion Translation: English French Spanish Italian Dutch Danish Polish Russian
Das Marine-Sperrwaffenarsenal Heinschenwalde
 Bis 1945: 
Bereits im Jahre 1933, kurz nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, begannen die Arbeiten zur Errichtung des Marinesperrzeugamtes Heinschenwalde. Die Marine legte Wert auf einen Standort im unmittelbaren Hinterland der schwimmenden Verbände. Die Kriegshäfen Bremerhaven bzw. Wesermünde und Cuxhaven waren von Heinschenwalde aus recht schnell zu erreichen.
Das ausgewählte Gelände lag im dicht bewaldeten Forst Hinzel. Dieser bot einen guten Sichtschutz für das Amt. Der für Bau und Betrieb seinerzeit unbedingt erforderliche Anschluß an das Eisenbahnnetz war über die Reichsbahnstrecke von Bremerhaven nach Bremervörde gegeben.
Von der namensgebenden kleinen Ortschaft Heinschenwalde war das Gelände gut 2 km in östlicher Richtung entfernt. Die Gegend war recht dünn besiedelt. Neben dem eigentlichen Sperrzeugamt mußte daher auch Wohnraum für das Personal neu geschaffen werden. Im Ortsteil Am Löh, südlich des Bahnhofes, entstand die Marinesiedlung mit einer Anzahl moderner Doppelhäuser. An der Straße vom Bahnhof zum Ort ist ein einzelnstehendes Haus für Offiziere gebaut worden.
Für das Sperrzeugamt wurde ein großes Areal zum äußeren Sperrbezirk erklärt. Es war für Anwohner aus der Umgebung eingeschränkt möglich, diesen Bereich zu durchqueren. Allerdings war dafür ein Passierschein erforderlich. Dieser mußte bei den Wachposten an der Gebietsgrenze vorgezeigt werden.

Die für den Betrieb erforderliche Infrastruktur wurde neben der Bauwirtschaft auch durch den Reichsarbeitsdienst errichtet. Einzelne Pflasterstraßen erschlossen das Gelände. Wichtiger für den Transport war jedoch ein umfangreiches Gleisnetz für eine Schmalspurbahn. Der Transport der Sperrwaffen erfolgte hauptsächlich über Waggons. Die Munitionslagerhäuser waren sämtlich über Gleise erreichbar. Für den Abtransport zum Bahnhof wurde eine Schmalspurstrecke gebaut, die über eine Brücke den Fluß Geeste überquerte. Am Bahnhof ermöglichte eine passend gebaute Verladerampe den Umschlag von den Schmalspur-Waggons auf die Vollspur-Güterzüge.

Die Aufgabe des Marinesperrzeugamtes war die Produktion und Lagerung von Sperrwaffen, also hauptsächlich Seeminen. Dafür sind zwei Produktionsstraßen gebaut worden. Zur Deponierung entstanden viele erdüberdeckte Munitionslagerhäuser. Sie standen aufgelockert in langen Reihen über weite Teile des Geländes verstreut.
In der westlichen Hälfte des Amtes wurden verschiedene Bauten für Verwaltung und Versorgung errichtet. Hier gab es u.a. einen Betriebshof für die Schmalspurbahn. Zahlreiche Lagerhäuser für die benötigten Materialien waren ebenfalls hier angesiedelt.

Am 2. November 1936 nahm das Marinesperrzeugamt Heinschenwalde offiziell den Betrieb auf. Vor und während des II. Weltkrieges lief der Betrieb weitgehend ungestört. In Wesermünde ist eine Sperrwaffenausrüstungsstelle aufgebaut worden, die die schwimmenden Einheiten direkt mit Seeminen versorgte. Diese Stelle wurde dem Sperrzeugamt Heinschenwalde unterstellt.
Im Juli 1943 hat man für die Ämter die offizielle Bezeichnung geändert. Aus den Marinesperrzeugämtern wurden Marinesperrwaffenarsenale. Gleichzeitig schied auch die Ausrüstungsstelle Wesermünde aus der Unterstellung aus und wurde zum selbständigen Sperrwaffenkommando Wesermünde.
In der letzten Kriegsphase wurde dem Sperrwaffenarsenal Heinschenwalde das Marinesperrwaffenarsenal Debstedt unterstellt. Dieses hatte man als eigenständiges Arsenal geplant, der Aufbau wurde jedoch mangels Bedarf gebremst. So lief es zuletzt als Außenstelle von Heinschenwalde.

Während des Krieges sind in Heinschenwalde auch Fremd- und Zwangsarbeiter sowie Kriegsgefangene eingesetzt worden. 1 km westlich abgesetzt existierte das Kriegsgefangenenlager Bokelah. Es war anfangs hauptsächlich mit Polen und Franzosen belegt, später überwiegend mit Gefangenen aus der Sowjetunion. Diese Insassen waren zum größten Teil in der umliegenden Landwirtschaft eingesetzt, einige aber auch im Sperrwaffenarsenal.
Das Wachpersonal für die Kriegsgefangenen fand im Moorhof Quartier, an der westlichen Seite der Straße von Heinschenwalde zum Bahnhof gelegen.

In der zweiten Hälfte des Krieges gab es vereinzelt Bombenangriffe auf das Sperrwaffenarsenal und die Umgebung. Zu größeren Zerstörungen im Arsenal kam es dabei jedoch nicht. So konnte am Kriegsende den Alliierten eine weitestgehend intakte Anlage übergeben werden.

 Ab 1945: 
Bald nach Kriegende begann die Demilitarisierung des Sperrwaffenarsenals. Die Munitionsbunker sollen durch das Zünden der darin eingelagerten Munition gesprengt worden sein. Die diversen Lagergebäude, Betriebs- und Verwaltungsbauten blieben dagegen größtenteils stehen. Der Wald wurde in weiten Teilen abgeholzt. Nach den Abrißmaßnahmen hat man jedoch wieder aufgeforstet.

In den folgenden Jahren wandelte sich das Bild im ehemaligen Sperrwaffenarsenal grundlegend. Die erhaltenen Gebäude konnte verschiedenste Nachnutzungen erleben. Einige Gewerbebetriebe siedelten sich an. Darunter war die Firma Deutz, die hier Traktoren montierte, ein Baustoffhändler aus Bremervörde, der hier Kalksandsteine produzierte, ein Hersteller von Lampen sowie eine Tierfell-Gerberei. Die Geflügelhof Vollmer übernahm mehrere Bauten für seinen Betrieb, dieser besteht bis heute.
Das Krankenhaus Bremervörde bezog einen Komplex, um darin eine Außenstelle einzurichten. Auch eine Grundschule für Kinder aus der Umgebung, die sogenannte Waldschule, kam im Gelände unter. Zeitweilig unterhielt die Deutsche Lehranstalt für Agrartechnik (DEULA) hier eine Landmaschinenschule.
Eine sehr lange andauernde Nutzung fand im Randbereich durch das Torfwerk Strenge statt. Die im Arsenal verlegte Schmalspurbahn wurde abgebaut, um eine neue Bahn vom Torfabbaugebiet Langes Moor, rund 8 km nördlich gelegen, zum Bahnhof Heinschenwalde aufzubauen. Dafür entstand am Bahnhof ein neuer Betriebsbereich des Torfwerks, welcher zu einem guten Teil mit Steinen von im Arsenal abgerissenen Gebäuden errichtet wurde. Auch die alte Verladerampe konnte für den Umschlag wieder genutzt werden. Erst 1997 endete der Betrieb des Torfwerkes. Danach hat man auch die Schmalspurbahn vollständig abgebaut.

Wegen der großen Wohnungsnot fanden zahlreiche aus den ehemals deutschen Ostgebieten vertriebene Menschen in umgebauten Arsenalgebäuden eine neue Bleibe. Bis Mitte der 1970er Jahre wohnten rund 100 Personen im ehemaligen Militärgelände. Auch Bauten im Moorhof und natürlich alle Wohnhäuser im der Marinesiedlung dienten fortan Wohnungssuchenden als Heimat.
Der Bedarf an provisorischem Wohnraum wurde im Laufe der Jahrzehnte weniger. Dementsprechend nahm die Zahl der Bewohner langsam ab. Manche Bauten sind noch einige Zeit als Wochenendhäuser genutzt worden. Bauwerke im Moorhof wurden bereits in den 1960er Jahren abgerissen. Das Offiziershaus und die Häuser in der Marinesiedlung konnten jedoch aufgrund ihrer soliden Bauweise bis in die Gegenwart überdauern.

Ab Mitte der 1950er Jahre wandelte sich das Bild erneut. Anders als bei vielen ähnlichen Anlagen, ergab sich für Heinschenwalde mit der Aufstellung der Bundeswehr keine neue militärische Nutzung. Zur gleichen Zeit ist aber auch der Zivilschutz in der Bundesrepublik aufgebaut worden. Den meisten der verschiedenen Gewerbebetriebe im Arsenalgelände wurden die Pachtverträge gekündigt. Die freiwerdenden Gebäude sollten zum Aufbau eines Zivilschutzlagers für das Bundesland Bremen herangezogen werden. Hier wurde nun Material für den Katastrophen- und den Verteidigungsfall deponiert. Unter anderem lagerte hier die Ausrüstung für Hilfskrankenhäuser, die in Schulen in den Bremerhavener Stadtteilen Surheide und Weddewarden eingerichtet werden konnten. Betreiber war der Zivile Bevölkerungsschutz (ZB) der Stadt Bremen bzw. später das THW.
Gelegentlich ist das Waldgebiet aber auch von militärischen Einheiten für Übungen mitbenutzt worden. Neben der Bundeswehr auch von den Niederländern aus Seedorf.

Nach Ende des Kalten Krieges wurde in den 1990er Jahren neben der militärischen Abrüstung auch der Zivilschutz reduziert. Der Bedarf für das Lager in Heinschenwalde entfiel. Die bisher dafür verwendeten Gebäude wurde freigezogen und blieb einige Zeit ungenutzt.
Die Entscheidung fiel, die meisten historischen Arsenal-Bauwerke abzureißen. Den Mietern einzelner noch im Gelände bewohnter Häuser wurde teilweise als Alternative Wohnraum in der Marinesiedlung angeboten.
In den Jahren 2000 / 2001 erfolgte schließlich der Abriß der meisten noch erhaltenen Gebäude des ehemaligen Sperrzeugamtes.

 Zustand: 
Die vielen Munitionslagerhäuser wurden schon kurz nach dem Krieg gesprengt. Von ihnen zeugen heute meist noch Erdhügel. Zahlreiche Betriebs- und Lagergebäude waren bis in die jüngere Vergangenheit erhalten. Nach den Abrißmaßnahmen 2001 blieben jedoch nur noch sehr wenige über. Die Bilder unten zeigen die wesentlichen Reste.

 Zugang: 
Das gesamte Gelände ist als Naherholungsgebiet frei zugänglich, ausgenommen natürlich die Privatgrundstücke.

Blick aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Google Maps

Fotos:

Geflügelhof
Der heutige Geflügelhof Vollmer. In der Flucht stehen mehrere Gebäude des früheren Sperrwaffenarsenals.

Gebäude
Eines der historischen Gebäude im Geflügelhof

Arsenalbauten
Einzelne bewohnte Arsenalbauten blieben stehen

Betriebsgebäude
Ein kleines früheres Betriebsgebäude

Barackenbauweise
Auch hier ist die Barackenbauweise unverkennbar

Abgerissen
Die meisten der historischen Häuser sind heute abgerissen, so auch dieses.

Zivilschutzlager
Im Kalten Krieg als Zivilschutzlager genutzt, seit 2001 nicht mehr vorhanden.

Arbeitshaus
Eines der Arbeitshäuser des Arsenals

Lagerhäuser
Im Wald verteilt standen diverse Lagerhäuser

Betriebsgebäude
Auch dieses Betriebsgebäude ist 2001 abgerissen worden

Bodenplatte
Hier liegt die Bodenplatte eines Munitionslagerhauses frei

Erdhügel
An dieser Stelle überdeckt ein Erdhügel einen gesprengten Munitionsbunker

Offizierswohnungen
An der Straße von Hipstedt nach Heinschenwalde steht noch das Haus mit den Offizierswohnungen, Baujahr 1935.

Klärgrube.
Vom früheren Moorhof sind nur noch wenige Spuren zu finden, hier die Klärgrube.

Siedlung
In der Siedlung Hipstedt stehen diverse Wohnhäuser für Beschäftigte des Sperrwaffenarsenals in den noch heute Marinesiedlung genannten Straßenzügen.

Pflasterstraße
Historische Pflasterstraße im Arsenal

Schmalspurbahn
Umfangreicher als das Straßennetz waren die Strecken der Schmalspurbahnen. Deren Verlauf zeigt hier ein Hohlweg.
Brücke
Auf dem Weg vom Arsenal zum Bahnhof mußte die Geeste überquert werden. Hier eine Brücke für die Schmalspurbahn, vor Ort „Haselnußbrücke“ genannt.
Verladerampe
Am Bahnhof Heinschenwalde ist noch die Verladerampe zu finden, an der von Schmalspur auf Vollspur umgeladen wurde.

Rot: der äußere Sicherheitsbereich des Sperrwaffenarsenals
Karte
Maßstab

Quellenangabe:
- Niedersächsisches Umweltministerium: Gefährdungsabschätzung von Rüstungsaltlasten in Niedersachsen
- Mathias Ohlandt: Manuskript „Beschreibung zum Marinesperrwaffenarsenal Heinschenwalde“
- H. Bader
- H.-J. Schulze
 
Copyright: © by „Relikte in Niedersachsen und Bremen“.
Impressum & Datenschutz
Seitenanfang