Bis
1945:
Die offizielle Bezeichnung der hier vorgestellten Anlage lautete Luft-Munitionsanstalt
2/XI Damme. Die römische Ziffer XI steht für das Luftgaukommando XI, beheimatet
in Hannover, später Hamburg. Der größte Teil des heutigen Niedersachsen
gehörte zu diesem Gau. Gebräuchlich waren die Kurzbezeichnungen Muna Damme
und Muna Schelenhorst.
Nördlich
der Stadt Damme erstrecken sich die umfangreich bewaldeten Dammer Berge.
Ein Bestandteil ist der Forst Schelenhorst, heute oft Scheelenhorst geschrieben,
rund 3 km nordwestlich des Dammer Stadtzentrums gelegen. Die Reichsbahnstrecke
von Holdorf nach Damme führte dicht vorbei. Für die Errichtung einer
Muna waren mit dem Wald und der seinerzeit unbedingt benötigten Eisenbahn
die wichtigsten Voraussetzungen erfüllt. Allerdings mußten einige Höhenunterschiede
auf dem Gelände in Kauf genommen werden.
1935 begannen die Arbeiten zum Aufbau der Anstalt. Sie sollte
Munition für den Bedarf der Luftwaffe bereitstellen. Zunächst wurde eine
Ladestraße vom Haupttor Richtung Westen gebaut. Parallel zu ihr ist das
Anschlußgleis mit Verbindung zur Eisenbahnstrecke verlegt worden. Man
wies der Muna 1939 eine eigene Rangierlokomotive zu.
Hinter dem Haupttor entstand der Verwaltungs- und Unterkunftsbereich.
Die meisten Bauten wurden eingeschossig ausgeführt. Lediglich die Kommandantur
und das Kasino verfügten über zwei Geschoße. An weiteren Gebäuden in
diesem Bereich sind zu nennen: Unterkünfte, Wirtschaftsbaracke, Krankenrevier,
Feuerwache, Werkstätten, Lokschuppen und Garagen mit Tankstelle. Sogar
ein Pferdestall war vorhanden.
Für die Versorgung der Anstalt gab es eine Trafo-Station, die im Normalfall
aus dem öffentlichen Netz gespeist wurde. Im Falle einer Unterbrechung
konnte ein Notstromgenerator eingesetzt werden. Ein Wasserwerk förderte
Trink- und Brauchwasser, welches in einem Großbehälter gespeichert worden
ist. Für Löschwasser gab es vier Zisternen mit 240 m³ Fassungsvermögen,
und am Westrand einen befestigten Feuerlöschteich.
Richtung Westen schloß der Arbeitsbereich an. Hier konnten die Montagearbeiten
an der Munition durchgeführt werden. Dafür standen fünf Munitionsarbeitshäuser
zur Verfügung.
Im Wald weitläufig verteilt errichtete man zunächst 76 erdüberdeckte
Munitions- und Zünderhäuser. Später kamen nach Vergrößerung der Anstalt
weitere Bunker hinzu, die Gesamtzahl belief sich schließlich auf 112.
Drei Kategorien dieser Bauten wurden erstellt. Die zuerst entstandenen
64 Munitionshäuser hatten eine Lagerkapazität von 20 t auf 150 m² Nutzfläche,
und verfügten über einen Eingang. Sie waren in massiver Betonbauweise
ausgeführt. Die später errichteten 36 größeren Munitionshäuser mit 30
t Lagerkapazität auf 250 m² Nutzfläche wiesen zwei Zugänge auf. Davon
waren 15 ebenerdig ausgeführt, 21 hatten eine Verladerampe an der Vorderseite.
Bei diesen Bauten sind die Außenwände mit Ziegelsteinen gemauert worden.
Die dritte Kategorie waren die 12 deutlich kleineren massiven Zünderhäuser
mit 50 m².
Ergänzt wurde das Ganze mit diversen Lagerhäusern, in denen benötigte
Materialien deponiert werden konnten. Viele davon dienten zur Aufbewahrung
von Packmitteln für den Munitionstransport.
Bereits Ende 1936 konnte die Anlage eingezäunt, und in Betrieb genommen
werden. Sie umfaßte zunächst rund 150 ha Grundfläche.
Später folgte eine deutliche Erweiterung des Geländes nach Süden, vor
Ort als „Neue Muna“ bezeichnet. Dadurch kam man auf gut 200 ha Ausdehnung. Ein mit Felsstein gepflastertes Wegenetz von zusammen 20 km verband
alle Bereiche der Muna miteinander.
Die Hauptaufgabe der Munitionsanstalt war die Bezünderung
und Lagerung von Bomben. Es wurden 2 kg-Brandbomben, 10 kg-Splitterbomben
sowie 50 kg, 250 kg und 500 kg-Sprengbomben verarbeitet. Zusätzlich hat
die Luftwaffe Munition für Flugabwehrgeschütze in den Kalibern 2 cm,
7,5 cm, 8,8 cm und 10,5 cm eingelagert.
Üblicherweise ist die Munition bereits mit Sprengstoff befüllt per Eisenbahn
angeliefert worden. Im Arbeitsbereich versah man die Bomben und Granaten
mit Zündern. Im Lagerbereich konnte ein umfangreicher Bestand deponiert
werden. Auf Verlangen durch die Truppe hat man die Chargen zusammengestellt
und für den Versand vorbereitet. Der Abtransport erfolgte wiederum per
Eisenbahn zu den anfordernden Verbänden.
Auf der östlichen Seite der Landesstraße, 300 m südlich vom
Haupttor, hatte man eine kleine Muna-Siedlung errichtet. Hier konnte
das Stammpersonal in Führungspositionen mit dessen Familien wohnen. Der
Name der durchquerenden Straße lautet Reichssiedlung. Die Bezeichnung
ist noch heute in Damme allgemein bekannt.
Vor Beginn des II. Weltkrieges waren lediglich 30 bis 40 Soldaten, und
ebenso viele Zivilarbeiter in der Anstalt beschäftigt. Während des Krieges
stieg die Zahl der Beschäftigten auf bis zu 500, die meisten davon waren
dienstverpflichtet. Viele Frauen aus der Umgebung bekamen Aufgaben in
der Muna zugewiesen.
Für die Unterbringung gab es ein kleines Lager mit drei Baracken nördlich
der Munitionsanstalt, und ein größeres mit fünf Baracken südlich. Letzteres
war bereits in der Aufbauphase zur Unterbringung der Bauarbeiter eingerichtet
worden. In der Muna wurde ein aus rund 150 sowjetischen Kriegsgefangenen
bestehendes Arbeitskommando eingesetzt. Sie waren in einer separaten
Baracke einquartiert.
Bis zum Ende des Krieges erfolgten keine Luftangriffe auf
die Anstalt. Jedoch ist am 19. April 1944 ein im Bahnhof Holdorf abgestellter
Munitionszug von Jagdbombern der Alliierten angegriffen worden. Dabei
explodierte die verladene Munition. Es gab mehrere Tote und größere Gebäudeschäden
im Umfeld des Bahnhofs.
Am Kriegsende erteilte die Leitung, wie in den meisten vergleichbaren
Anlagen, den Befehl zur Zerstörung der Munitionsanstalt mit allen Betriebsteilen.
Die Feuerwerker wehrten sich gegen die Ausführung. Es wurden nur geringe
Mengen der Munition gesprengt. Das führte allerdings zu einigen Schäden
in der Reichssiedlung.
Am 11. April 1945 besetzte die British Army die Anstalt ohne Gegenwehr.
Ab 1945:
Das britische Militär übernahm nun die Muna. Im September 1945 begannen
sie mit der Sprengung der aufgefundenen Munitionsbestände. Dafür hatte
man Plätze außerhalb der Anstalt genutzt. Im Januar 1946 wurden die
Briten von Kanadiern abgelöst. Die Demilitarisierung ist mit der Sprengung
der Munitionsbunker fortgesetzt worden.
Zwischenzeitlich gab es Planungen, 28 Munitionshäuser zu entfestigen,
um sie zu Wohnungen umzubauen, ähnlich wie in der Muna
Harpstedt geschehen. In Damme hat man das Vorhaben jedoch aus Kostengründen nicht umgesetzt.
Am Ende waren 1949 schließlich alle Munitionsbunker zerstört.
Der Zustrom zahlreicher Flüchtlinge aus den damaligen deutschen
Ostgebieten führte vielerorts in eine große Wohnungsnot. Die Alliierten
gaben zur Abhilfe Gebäude in der Munitionsanstalt für eine zivile Nutzung
frei. Damit entstand der neue zu Holdorf gehörende Ortsteil Schelenhorst.
1948 waren hier bereits 85 Personen registriert.
Neben der Verwendung als Wohnraum, konnten Lagerhäuser auch für gewerbliche
Betriebe hergerichtet werden. Es gab unter anderem eine Schlachterei,
eine Konservenfabrik sowie eine Firma für Gewürzkräuter-Trocknung.
Der Bereich um die vormalige Kfz-Werkstatt entwickelte sich zum Zentrum
der neuen Siedlung. Hier waren Geschäfte und eine Gaststätte untergebracht.
Schelenhorst erreichte 1951 einen Einwohner-Höchststand von rund 300
Personen. Danach nahm die Zahl stetig ab. In der Umgebung entstanden
immer mehr neue Häuser, die natürlich eine wesentlich bessere Unterbringung
als in den Provisorien ermöglichten.
Viele der noch verbliebenen Einwohner und Nutzer bekamen 1959 eine Kündigung
vom Bundesvermögensamt zugestellt. Die junge Bundeswehr wollte im Norden
der Liegenschaft ein Korpsdepot,
und im Süden einen Mobilmachungsstützpunkt einrichten. Einzelne Bewohner
außerhalb der neuen militärischen Flächen konnten allerdings bleiben.
Erst 1986 meldete sich die letzte Einwohnerin ab.
Für das Nachschubkommando 1 des I.
Korps der Bundeswehr wurde die benötigte Depotfläche durch einen Zaun vom Rest der
Anlage abgeteilt. Mit 100 ha Grundfläche umfaßte sie die Hälfte der früheren Muna. Das Objekt trug die offizielle
Bezeichnung Korpsdepot 153 und bestand ab 16. September 1961.
Es waren nur wenige Muna-Bauten erhalten und nutzbar, neues ist nicht
errichtet worden. Daher ist eine provisorische Lagerung in Zelten anzunehmen.
Diese war in den ersten Jahrzehnten der Bundeswehr durchaus üblich. Über
die Art der Nutzung liegen kaum Informationen vor. Lediglich die Einlagerung
von Kraftstoffen in Kanistern ist überliefert. Es ist aber auch eine
Deponierung von Munition anzunehmen.
Nach Änderung der NATO-Strategie auf die „Flexible Erwiderung“ erfolgte
eine stärkere Ausrichtung der Verteidigungsplanungen auf den östlichen
Bereich der Bundesrepublik. Dabei wurden auch mehrere Korpsdepots deutlich
weiter ostwärts neu aufgebaut und im Gegenzug Depots im Westen aufgegeben.
1988 kam so auch für das KDp 153 das Ende. Es lag danach für viele Jahre
brach.
Zum Aufbau des Mobilmachungsstützpunktes im Süden der alten
Muna zog man die Lagerhäuser 8-14 heran. Weitere Bauten kamen im Laufe
der Jahrzehnte hinzu. Das Objekt wurde separat eingezäunt und umfaßte
knapp 9 ha. In Mob-Stützpunkten wird Ausrüstung und Gerät für Einheiten eingelagert, die
zu Friedenszeiten nicht mit Personal besetzt sind. Lediglich einzelne
Soldaten und zivile Arbeiter kümmern sich um die Pflege und Erhaltung
der Einlagerungen. Zu Mobilmachungsübungen sind Reservisten einberufen
worden und haben die Einheiten einsatzbereit gemacht. Im Verteidigungsfall
hätte man sämtliche Mob-Verbände aktiviert.
Die Belegung des MobStp Damme kann für die ersten beiden Jahrzehnte nur
in Auszügen dargestellt werden, weitere Angaben fehlen. Ab 1964 lag hier
das Nachschubbataillon 140. Am 1. März 1969 verlegte das inaktive Feldartilleriebataillon
120 von Leese nach
Damme, es wurde bereits am 1. April 1971 aufgelöst. In den 1970er Jahren
ist die Panzermörserkompanie 420 dokumentiert, es wird zu der Zeit aber
auch ein Jägerbataillon des Territorialheeres hier eingelagert gewesen
sein. Am 1.4.1981 ist die Heimatschutzbrigade 62 aufgestellt bzw. umgegliedert
worden. Von ihr lagen in Damme die Stabskompanie, die Pionierkompanie
620, die Versorgungskompanie 620 und das Jägerbataillon 621.
Nach Ende des Kalten Krieges folgte eine deutliche Reduzierung des Umfangs
der Bundeswehr. Schrittweise wurden die meisten Mobilmachungsverbände
aufgelöst. Damit konnte im Jahre 1994 der Mob-Stützpunkt Damme aufgegeben
werden.
Der Mobilmachungsstützpunkt fand eine zivile Anschlußnutzung.
Mehrere Organisationen bekamen dort eine Bleibe. Allen voran der Naturschutzbund
Deutschland (NABU). Er hat hier das Naturschutz-Zentrum Dammer Berge
aufgebaut. Daneben sind im Objekt die Pfadfinder Damme, Stamm St. Benedikt
und Hilfsorganisationen untergebracht.
Im ehemaligen Korpsdepot wurden bereits Ende 1989 mehrere Bauwerke wegen
Einsturzgefahr abgerissen. Die Beseitigung der meisten bislang verbliebenen
Bauten ist inzwischen vollzogen. Das Areal hat die Deutschen Bundesstiftung
Umwelt als Naturerbefläche übernommen.
Der laufende Betrieb einer Muna zur damaligen Zeit verursachte
Verunreinigungen innerhalb der Anstalt. Außerdem gab es kurz vor Kriegsende
die Munitionssprengungen durch die Wehrmacht. Bodenuntersuchungen ergaben
dementsprechend Funde von Rüstungsaltlasten im Gelände.
Das Korpsdepot ist von der Bundeswehr bis 1977 abgesucht worden. Entsprechend
des damaligen Standes der Technik wird es nicht zu einer vollständigen
Beräumung gekommen sein. Für die Muna Damme ist im entsprechenden Untersuchungsbericht
von 1996 weiterhin von empfohlenem Räumungsbedarf die Rede.
Zustand:
Einige historische Gebäude sind auf dem Gelände noch zu finden, insbesondere
im Mob-Stützpunkt. Viele der massiven Munitionshäuser 20 t und Zünderhäuser
blieben nach den Sprengungen als Ruinen bis heute erhalten. Dagegen
sind von den nur gemauerten MH 30 t meist lediglich Erdhügel aufzufinden.
Die Fotos auf dieser Seite zeigen weitere Objekte, bei denen oft nur
noch Fragmente erkennbar sind.
Zugang:
Das ehemalige Korpsdepot
ist heute Naturschutzgebiet, weiterhin komplett eingezäunt und nicht
zugänglich. Der südliche Teil der alten Muna ist, mit Ausnahme von Privatgrundstücken, frei
begehbar.
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Blick
aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Fotos:
Das Haupttor am Ostrand.
Hinter dem Tor das Wachgebäude.
Das Korpsdepot wurde separat eingezäunt und hatte mehrere Nebentore.
Die Terrasse des Kasinos der Muna ist noch erkennbar.
Ein Kameradschaftsheim im Arbeitsbereich.
Außenzugang zum Keller des Kameradschaftsheims.
Im Keller.
Hinter dem Kameradschaftsheim der Abgang zu einer zweiten Kellerebene.
Im Tiefkeller.
Die Malerwerkstatt im Arbeitsbereich.
Die ehemalige Kfz-Werkstatt, nach dem Krieg das Zentrum der Siedlung
Schelenhorst.
Von der Tankstelle sind noch geringe Spuren erkennbar.
Sockel einer Säule der Tankstelle.
Ein alter Brunnen.
Selbst Feuerlöschzisternen wurden nach dem Krieg gesprengt.
Historischer Hydrant.
Das Feuerlöschbassin am Westrand der Muna, nach dem Krieg für einige
Zeit als Badeanstalt genutzt.
Verteilt in der Muna standen Schanzzeughäuser für Feuerlöschgerät.
Ein etwas größerer Schuppen im MobStp.
Reste eines eingedrückten Luftschutzgrabens.
Vom alten Kleinkaliber-Schießstand sind noch Seitenwände zu finden.
Ein Munitionsarbeitshaus mit Verladerampe.
Das Lagerhaus 1.
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