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Rubrik: Munitionsproduktion Translation: English French Spanish Italian Dutch Danish Polish Russian
Die Munitionsfabrik Polte OHG, Zweigwerk Duderstadt
 Bis 1945: 
Im Oktober des Jahres 1939 begann man auf betreiben des Reichsluftfahrtministeriums mit der Errichtung der Munitionsfabrik am Westrand von Duderstadt. Als Eigentümer des Werks firmierte die Luftfahrtanlagen GmbH (LAG). Betreiber der Anlage wurde die in Magdeburg ansässige Firma Polte OHG, die die Duderstädter Fabrik als Zweigwerk führte. Die Fertigungsstätte war für die Herstellung von 2cm-Fliegersondermunition mit einer Kapazität von 1.000.000 Geschossen je Monat geplant. Das Werk ist in drei räumlich getrennte Bereiche unterteilt. Im Ostteil, hinter dem Haupttor, begann der Fertigungsbereich, hier sind Produktionsgebäude für Geschoß-, Zünder- und Hülsenfertigung angesiedelt. Im mittleren Teil war die Abfüllanlage eingerichtet; in Duderstadt ist der Sprengstoff Nitropenta verarbeitet worden, dessen Vorprodukte unter anderem im Paraxol-Werk Lippoldsberg hergestellt wurden. Im Westteil schließlich befanden sich die unterirdischen Lager für fertiggestellte Munition und angelieferte Sprengstoffe.
Ab Juli 1941 konnte Polte die Fertigung aufnehmen. Es ist dokumentiert, daß ab April 1943 die Monatskapazität bei bis zu 750.000 2cm-Geschossen lag; daneben soll auch 3cm-Munition hergestellt worden sein. Aus der Produktion wurden zur Qualitätssicherung laufend Proben entnommen und in einem unterirdischen Schießkanal auf dem Werksgelände getestet. Zum Ende des Jahres 1944 hin gab es immer häufiger Fliegeralarm, die Munitionsfertigung litt spürbar darunter. Ab Februar 1945 mußte wegen mangelnden Nachschubs die Produktion weiter stark reduziert werden, aber erst am 8. April 1945 ist der Betrieb endgültig eingestellt worden. Einen Tag später erreichten US-Truppen Duderstadt und beschlagnahmten das Werk.
Für die angeworbenen ausländischen Arbeitskräfte, die die Fabrik errichteten, entstand am Rand des Werkes das Wohnlager „Am Euzenberg“. Hier sind auch während der Produktionsphase Fremdarbeiter untergebracht gewesen. Ein weiteres Lager für Arbeitskräfte existierte im Ort selbst, das Barackenlager „Am Westerborn“. Ab November 1944 sind auch weibliche KZ-Häftlinge im Werk eingesetzt worden, es handelte sich dabei um ungarische Jüdinnen, die zuvor, von Auschwitz-Birkenau (Polen) kommend, das KZ Bergen-Belsen als Durchgangsstation durchlaufen hatten. Nahe dem Polte-Werksgelände entstand für sie ein Außenkommando des KZ Buchenwald (Thüringen), das „Lager Steinhoff“. Untergebracht waren hier, unzureichend versorgt und oft misshandelt, rund 750 Häftlinge.

 Ab 1945: 
Die US Army übergab vereinbarungsgemäß die von ihnen eingenommenen Gebiete im späteren Niedersachsen an die Briten. Auf deren Veranlassung wurde die Demontage von Einrichtungen der Munitionsfabrik durchgeführt, vereinzelt sind dabei auch Gebäude im Abfüll- und Lagerbereich gesprengt worden. Im Oktober 1947 gab die zuständige britische Dienststelle das Gelände zur zivilen Nutzung frei. Das Areal kam über die LAG in den Besitz der IVG. Der größere Bereich des Werks ist später in mehreren Schritten vom Bund erworben worden, hier entstand eine große Unterkunft für den Bundesgrenzschutz - die Grenze zur DDR lag nur 3 km entfernt. Am 14. August 1956 bezog eine erste Hundertschaft des BGS ihr neues Domizil, 1960 folgte eine komplette Grenzschutzabteilung. Der Grenzschutz hat seine Unterkunftsgebäude im mittleren ehemaligen Abfüllbereich, im westlichen Lagerbereich wird heute eine Schießanlage betrieben.
Im früheren Wohnlager „Am Westerborn“ sind nach Kriegsende polnische „Displaced Persons“ untergebracht worden, 1949 endetet diese Funktion und die Baracken wurden abgetragen. Die Gebäude des KZ-Außenlager Steinhoff sind im gewachsenen Industriegebiet der Stadt aufgegangen.

 Zustand: 
Im heutigen Gewerbegebiet „Am Euzenberg“ sind nahezu sämtliche Gebäude des Fertigungsbereichs der Munitionsfabrik erhalten geblieben, sie befinden sich größtenteils im guten Zustand. Auf dem BGS-Gelände sind dagegen diverse neue Gebäude errichtet worden.

 Zugang: 
Der kleinere östliche Bereich des heutigen Gewerbegebiets ist frei zugänglich, das größere vom BGS genutzte westliche Gelände darf nicht betreten werden.

 Hinweis: 
Über das Polte-Werk in Duderstadt ist eine ausführliche Darstellung in diesem Buch enthalten:
Titel: Geheime Rüstungsprojekte in Südniedersachsen und Thüringen während der NS-Zeit
Autor: Frank Baranowski
Verlag: Mecke Druck
ISBN: 3-923453-69-8

Blick aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Google Maps

Fotos:

Verwaltungsgebäude
Das Verwaltungsgebäude am Werkstor, links das Pförtnergebäude.

Feuerwehrgebäude
Ehemaliges Feuerwehrgebäude im Ostteil des Werks.

Hülsenfertigung
In diesem Gebäude war die Hülsenfertigung untergebracht.

Hauptmagazin
Das Hauptmagazin liegt im heutigen Gewerbegebiet.

Gemeinschaftsküche
Baracke der früheren Gemeinschaftsküche.

Kesselhaus
Kesselhaus des Heizwerks.

Lehrlingswerkstatt
Teilansicht der damaligen Lehrlingswerkstatt.

Beschriftung
„Rauchen, Feuer und offenes Licht im
Umkreis von 10m verboten!“.

Lokschuppen
Der frühere Lokschuppen auf dem BGS-Gelände, heute Fahrzeughalle.

Folgende historische Ansichtskarten: zur Verfügung gestellt von Henning Müller:
Wohnlager
Wohnlager Polte, entsprechend „Am Euzenberg“.
Baracken
Weiterer Blick auf die Baracken.
Tagesraum
Tagesraum im Sozialgebäude.
 

Karte
Maßstab

Quellenangabe:
- Niedersächsisches Umweltministerium: Gefährdungsabschätzung von Rüstungsaltlasten in Niedersachsen
- Henning Müller
 

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