Bis
1945:
Grundsätzliches über die Einrichtung von Munitionsanstalten in Bergwerken
ist auf der Seite Heeresmuna
(Bergwerk) Hänigsen in den ersten zwei Absätzen nachzulesen.
Am Südwestrand des Sehnder Ortsteils Wehmingen liegt das Schachtgelände des ehemaligen
Kalibergwerks Hohenfels. Bereits 1889 ist die Anlage als erste ihrer
Art im Raum Hannover eingerichtet worden. Bis ins Jahr 1901 wurde der
Schacht bis in 600 m Tiefe abgeteuft, im Folgejahr begann die Förderung.
Für den Abbaubetrieb entstanden verschiedene Gebäude, das Gelände wurde
über einen Gleisanschluß mit der Eisenbahnstrecke Lehrte-Hildesheim verbunden.
Untertage war die Anlage Hohenfels mit dem Schacht Carlshall verbunden.
Wie bei allen anderen entsprechenden Werken führte der Rückgang der Kaliförderung
in den 1920er Jahren auch in Sehnde zur Reduzierung der Aufträge. Dadurch
fiel auch Schacht Hohenfels in den Kreis der Bergwerke, die die Wintershall
AG der Wehrwirtschaft zur Verpachtung anbot. So übernahm die Wehrmacht
im Jahre 1937 die Anlage um hier eine Heeresmunitionsanstalt (Bergwerk)
einzurichten.
Für die neue Funktion begannen umfangreiche Bauarbeiten auf dem Areal.
Die vorhandenen Gebäude wurde umgebaut, am Tor entstand ein neues Wachgebäude,
dahinter die neue Verwaltung. Südlich an das Schachtgelände anschließend
errichtete man in einem Bogen das Fertigungsgebiet mit drei großen Lagerhallen
und einigen kleineren Arbeitshäusern. Hierfür wurde das Gleisnetz innerhalb
der Munitionsanstalt auf fast vier Kilometer Streckenlänge erweitert.
Nördlich vor dem Haupttor entstand ein Arbeitslager mit mehreren Unterkunftsbaracken
für bis zu 500 Kräfte. Dadurch wuchs die oberirdische Grundfläche der
Muna auf rund 30 ha an.
Im Schacht sind die Kammern für die Lagerung der Munition ausgebaut worden,
möglicherweise fand untertage teilweise auch die Befüllung der Granaten
statt. Zur Bewetterung des Schachtes Hohenfels wurde der Schacht Carlshall
genutzt. 1940 kam es zu einem Brand auf der 600 m-Sohle von Carlshall,
welche Auswirkungen das auf die Fertigung hatte, ist dem Autor nicht
bekannt.
Im Arbeitslager wurde zunächst hauptsächlich verpflichtetes deutsches
Personal untergebracht, später kamen immer mehr Zwangsarbeiter dazu.
Möglicherweise wurde ein Teil des Lagers zum Kriegsende hin auch als
Wehrmachts-Lazarett genutzt.
Für eine Munitionsanstalt dieser Art ungewöhnlich ist, daß sie über eine
abgesetzte Nebenfüllanlage verfügte. Acht Kilometer südöstlich der Muna
lag die Nebenfüllanlage Clauen, sie war organisatorisch der Heeresmuna
(Bw) Sehnde unterstellt. Die Clauener Anlage ist in den Jahren 1939 bis
1940 als Behelfsfüllstelle errichtet worden. Hier wurden großkalibrige
Granaten und Bomben abgefüllt, die Monatskapazität lag dabei bei rund
1.000 Tonnen. 1942 gab es durch ein Explosionsunglück Zerstörungen in
der Anlage. Beim Heranrücken der Alliierten sprengte die Wehrmacht die
dortigen Munitionsbunker.
Ab 1945:
1947 räumten die Briten die eingelagerten Munitionsbestände, wobei es
im Oktober zur Explosion einer Mine kam. Die Munition wurde aber nicht
restlos entsorgt, Teilbereiche mußte Jahre später noch vom Kampfmittelbeseitigungsdienst
nachgeräumt werden.
Das gesamte oberirdische Gelände diente zunächst der British Army als
Stützpunkt, sie nutzten das Schachtgelände mit dem Fertigungsgebiet als
Depot. Das Arbeitslager wurde als Kaserne verwendet, stationiert war
das 2. (GS) Depot RAOC. Im Jahre 1966 übergaben die Briten den Komplex
an die Bundeswehr, die hier bis Anfang 1974 das Versorgungsbataillon
727 stationierte.
Ende 1973 begann eine neue Epoche für die ehemalige Schachtanlage, das
Deutsche Straßenbahn-Museum übernahm das Gelände mit seinen umfangreichen
Gleisanlagen. Zunächst nur als Ausweichlager genutzt, wurde bereits 1974
der Sitz des Museums hier eingerichtet. Die Fahrzeugsammlung des Museums
nahm im Laufe der 1970er Jahre enorme Ausmaße an. Finanzielle Schwierigkeiten
führten jedoch später zur Einstellung des bisherigen Museums.
Ab 1984 kam es auch zu einigen Veränderungen bei den Werksanlagen. Der
Förderturm des Schachtes wurde abgerissen, da sein Erhalt zu teuer geworden
wäre. 1985 begann die Flutung der Untertageanlage, das Mundloch auf dem
Gelände wurde mit einer Betondecke verschlossen.
1987 ist aus dem Nachlaß des alten Museums neu das Hannoversche Straßenbahn-Museum
(HSM) gegründet worden. Ein neues Konzept beinhaltet unter anderem, daß
die Sammlung auf eine überschaubarere Größe reduziert wird. Außerdem
soll das Schachtgelände zu einem Industriedenkmal hergerichtet werden,
die Anlage steht heute bereits unter Denkmalschutz.
Die Straßenbahnen können die vorhandenen Gleise auf dem Werksgelände
nutzen, sie sollen noch ergänzt werden. Eine Teilstrecke wurde elektrifiziert,
hier führt der Museumsverein Pendelfahrten bis ans hintere Ende des Fertigungsgebietes
durch.
Die Baracken des früheren Arbeitslagers bzw. der Kaserne sind inzwischen
abgerissen. Auf dem freigewordenen Grund entsteht heute das Neubaugebiet
„Camp Hohenfels“.
Die abgesetzte Nebenfüllanlage in Clauen ist ab November 1949 zu einem
zivilen Produktionsstandort umgewandelt worden. Seitdem befindet sich
dort das Nordzucker-Werk Clauen mit ausgedehnten Anlagen.
Zustand:
Außer dem Förderturm sind fast alle Gebäude auf dem Schachtgelände in
gutem Zustand erhalten geblieben. Auch im Fertigungsgebiet stehen noch
nahezu alle Muna-Gebäude. Im Bereich des früheren Arbeitslagers sind
dagegen keine Spuren mehr vorhanden, lediglich aus der Zeit der Nutzung
als britische Kaserne ist ein Gedenkstein und eine Eiche vorhanden,
die von den Soldaten zu Ehren Queen in 1953 gesetzt wurden.
In der ehemaligen Nebenfüllanlage Clauen sind nur noch wenige historische
Gebäude erhalten, modernere Bauten dominieren das Bild. So läßt sich
die frühere militärische Funktion heute nicht mehr erkennen.
Zugang:
Das Straßenbahnmuseum ermöglicht eine Besichtigung des Schachtgeländes.
Die Öffnungszeiten, meist nur Sonn- und Feiertage, sollten vorher erfragt
werden. Das
Fertigungsgebiet darf nicht betreten werden, es bietet sich aber an, an einer Fahrt durch das Gelände mit einer Museumsbahn
teilzunehmen. Die vielen im Gelände abgestellten unrestaurierten Straßenbahnen
geben einer Durchfahrt eine ganz besondere Atmosphäre. Der Bereich
des früheren Arbeitslagers kann, mit Ausnahme von Privatgrundstücken,
frei begangen werden.
Hinweis:
Das Straßenbahnmuseum hat eine Internet-Präsenz:
http://www.tram-museum.de
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Blick
aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Fotos:
Schachtgelände:
Das Haupttor, ein Bau der Wehrmacht.
Auch das Verwaltungsgebäude wurde von der Wehrmacht errichtet
Maschinenhaus für den Förderschacht
Der Schacht ist mit einer Betondecke verschlossen worden
Die frühere Salzmühle
Werkstattgebäude
Fertigungsgebiet:
Das ehemalige Laborgebäude am Übergang zum Fertigungsgebiet
Eines der großen Lagergebäude
Die kleineren Arbeitshäuser werden teilweise als Abstellhallen genutzt
Nachträglich eingebaute Schienenzufahrt einer Abstellhalle
Ein kleines Gebäude
Das westlichste große Lagergebäude, Endstation der Pendelfahrten. |