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Rubrik: Munitionsproduktion Translation: English French Spanish Italian Dutch Danish Polish Russian
Die Heeres-Munitionsanstalt (Bergwerk) Volpriehausen
 Bis 1945: 
Für den Abbau von Kali ist bereits 1889 am Ostrand von Volpriehausen mit der Errichtung der Schachtanlage begonnen worden. Ihr Name lautete anfangs „Justus“, als 1921 die „Burbach Kaliwerke AG“ den Betrieb übernahm, änderte sich die Bezeichnung in „Wittekind“. Im Jahre 1901 ist der für die Kaliförderung tiefste Ausbau mit 558 m, gemessen ab Schachtansatzpunkt, erreicht worden. Etwa 1910 begann man knapp 2 km östlich von „Wittekind“ mit den Arbeiten am Schacht „Hildasglück“. Hier ging der tiefste Ausbau 949 m in den Untergrund. Von der 540 m-Sohle der Anlage „Wittekind“ aus, wurde ein Blindschacht abwärts in die Tiefe von 786 m getrieben. Dort konnte eine unterirdische Verbindung zur 917 m-Sohle von „Hildasglück“ entstehen, die Differenz der Höhenangaben ergibt sich daraus, daß der Schachtansatzpunkt von „Hildasglück“ 131 m höher liegt. So befanden sich die Betriebsteile untertage in Verbindung. Oberirdisch ist für Materialtransporte eine Seilbahn errichtet worden.

Bereits 1936 hat die Wehrmacht eine Besichtigung der Doppelschachtanlage in Volpriehausen durchgeführt, sie aber zunächst als ungeeignet eingestuft. Die Burbach Kaliwerke bot nun ihrerseits dem Staat die Anlage an und wollte damit ihre angespannte wirtschaftliche Lage verbessern. Schließlich mietete das Militär ab 1. Juli 1937 den Gesamtkomplex an. Im Übertagebereich von „Wittekind“ sind ab 1938 diverse Neu- und Umbauten durchgeführt worden.
Für Arbeitskräfte entstand am Nordrand ein Lager aus vier Massivbaracken und am Westrand ein Lager mit drei Holzbaracken. Zunächst beschäftigte die Muna hauptsächlich dienstverpflichtete deutsche Arbeitskräfte, wie in allen vergleichbaren Anlagen sind aber im Laufe des Krieges vermehrt Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene eingesetzt worden. Auch mußten untertage jugendliche Insassen des KZ Moringen bei der Munitionsherstellung arbeiten. 120 kriegsgefangene französische Facharbeiter sind in einer unterirdischen Waffenwerkstatt tätig gewesen.
Für die Produktion entstand ab 1939 zwischen den beiden Schächten das Fertigungsgebiet mit zwölf Werksgebäuden. Die Betrieb begann im Frühjahr 1940 mit der Herstellung von Kartuschen für 7,5 cm-Infanteriegranaten. Im Sommer des Jahres 1942 konnte die Fabrikation in vollem Umfang aufgenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt lief auch im Schacht auf der 540 m-Sohle in drei Munitionsarbeitsräumen die Produktion von Sprengköpfen für die 7,5 cm-Infanteriegranate an.
Die Untertageanlage war ursprünglich nur für die Lagerung der Munition geplant. Dort wurden über 200 Munitionskammern ins Gestein gesprengt. Die kleineren Kammern maßen 10 x 18 m für 50 Tonnen Munition, die größeren 18 x 22 m für 100 t. Die Munitionskammern konnten mit Stahltoren verschlossen werden.
Anfangs war die Muna für eine Lagerkapazität von 13.000 t konzipiert, bis zum Kriegende wurde sie aber für bis zu 30.000 t ausgebaut. Nachdem 1942 nur einzelne Produktionsteile in den Schacht verlegten, folgte zwischen November 1943 und März 1944, wegen der Gefahr von Bombardierungen, der vollständige Umzug der Fertigung in die Stollen.

Ab 1944 gab es Planungen für die Untertageverlagerung von Betrieben der Rüstungsindustrie in die Schächte von Volpriehausen. Weitere Einzelheiten dazu liegen derzeit nicht vor. In jedem Fall aber betrieb die Waffenwerkstatt II aus Hannover in einigen Kammern eine Instandsetzungseinrichtung für Handfeuerwaffen.
Ab März 1944 begann wegen der Gefährdung durch Luftangriffe die Einlagerung von Kulturgütern in die Schachtanlage. Von der Universität Göttingen, aus niederrheinischen Archiven und zahlreichen weiteren Museen, Kirchengemeinden und Privatsammlungen sind verschiedene Güter hauptsächlich auf der 660 m-Sohle, unterhalb der Munitionsbereiche, deponiert worden, oft nur notdürftig verpackt. Auch hat man hier einige Kisten, unter anderem zwei mit einer Bernsteinsammlung, vom Paläontologischen Institut der Universität Königsberg eingelagert.

Die Munitionsherstellung hielt bis Frühjahr 1945 an. Ab Februar des Jahres kam jedoch die Fertigung immer wieder ins Stocken, da sich die Zulieferung von Pulver und Zündern immer öfter verzögerte.
Am 10. April 1945 konnten Truppen der US Army die Muna kampflos besetzen.

 Ab 1945: 
Anfang Juli 1945 übergaben die Amerikaner die Anlage an die Briten. Mit ihnen trafen auch Angehörige der 76th Depot Control Company ein, diese hatte ihren Sitz bei der Muna (Bw) Hänigsen. Sie war für die Überwachung der Bergung von Kulturgütern und Munition aus Untertageanlagen zuständig.
In der Schachtanlage war es in den Wirren des Kriegsendes zu Plünderungen und Zerstörungen durch Einheimische und befreite Zwangsarbeiter gekommen. Durch dabei beschädigte Munitions- und Pulverlager ging eine große Gefährdung für die gesamte Munitionsanstalt aus, es befand sich am Kriegsende noch eine Menge von ca. 20.000 t Explosivmitteln in den Schächten. Die Alliierten begannen damit, Munition an die Oberfläche zu transportierten, um sie im Ertinghäuser Wald zu sprengen. In der Nacht vom 28. zum 29. September kam es Untertage zur Explosion von großen Munitionsmengen, die Brände und Folgeexplosionen hielten noch tagelang an. Der Grund für diese Zerstörung ist bis heute nicht geklärt, ein Verdacht zielt auf plündernde Einheimische und Fremdarbeiter, ein anderer darauf, daß die Briten die Vernichtung der Schachtanlagen veranlaßt haben.
Im Frühjahr 1946 konnte Schacht „Wittekind“ provisorisch wieder befahrbar gemacht werden. Bei Begehungen der Munitionsbereiche zeigten diese eine totale Zerstörung. Ende August 1946 haben sich Freiwillige zusammengefunden, um die eingelagerten Kulturgüter zu bergen. Bis zum 22. Oktober konnten diverse Gegenstände an die Oberfläche gebracht werden, dann mußte man die Aktion abbrechen, da durch Grundwasserzuflüsse die Sohle absoff. 1955 sind Bohrschlämme in die Schächte verfüllt worden. Heute stehen alle Schächte unter Wasser, an weitere Bergungen ist nicht mehr zu denken.
Immer wieder kam es zu Spekulationen, daß auch das von der Wehrmacht beim damaligen Leningrad erbeutete und nach Königsberg gebrachte Bernsteinzimmer in Volpriehausen eingelagert worden ist. Da die Schächte nicht mehr zugänglich sind, kann darüber keine Klärung herbeigeführt werden.

Heute werden Teile des Schachtgeländes „Wittekind“ gewerblich genutzt. In der jüngeren Vergangenheit wurden alte Gebäude abgerissen, um für ein neues Wohngebiet Platz zu machen. Auch die Baracken des früheren Arbeitslagers sind nach dem Krieg zu regulären Wohnhäusern umgebaut worden. Die Schachtöffnungen von „Wittekind“ und „Hildasglück“ hat man massiv verschlossen. Mehrere Jahre konnten Bauten im Fertigungsgebiet gewerblich genutzt werden. Heute steht dieser Bereich jedoch weitgehend ungenutzt.

 Zustand: 
Auf dem Gelände des Schachtes Wittekind sind diverse Bauten aus der Muna-Zeit erhalten geblieben. Auch die Massivbaracken des Arbeitslagers am Nordrand des Werksgeländes stehen noch. Im Bereich des Schachtes Hildasglück sind dagegen alle Bauten abgerissen worden. Innerhalb des Fertigungsgebietes sind sämtliche Gebäude noch vorhanden. Die Schächte selbst sind verfüllt und nicht mehr betretbar.

 Zugang: 
Das Fertigungsgebiet darf nicht betreten werden. Die Schachtgelände und das Arbeitslager sind dagegen, außerhalb von Privatgrundstücken, frei begehbar.

Blick aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Google Maps

Fotos:
Schacht Wittekind:

Schachtgelände
Das Osttor des Schachtgeländes

Haupteingang
Der westliche Haupteingang

Werkstattgebäude
Historisches Werkstattgebäude

Lagerhäuser
Diese zwei großen Lagerhäuser sind noch erhalten

Betonplatte
Der Schacht ist heute mit einer Betonplatte verschlossen

Pumpwerk
Über dieses Pumpwerk wurde aus dem Rehbach die Anlage mit Wasser versorgt

Talstation
Reste der Talstation der Material-Seilbahn

Fertigungsgebiet:

Tor
Tor zum Bereich der Produktionsgebäude

Pförtnergebäude
Gleich hinter dem Tor das Pförtnergebäude

Löthaus.
Erkennbar, wie sich die Wege am Hang entlang schlängeln. Im Vordergrund ein Feuerlöschgeräteschuppen, dahinter rechts das Löthaus.

Munitionsarbeitshäuser
Eines der langgestreckten Munitionsarbeitshäuser

Andere Seite
Blick von der anderen Seite

Heizzentrale
Die Heizzentrale im Bereich der Betriebs- und Versorgungsbauten
Arbeitslager:
Gemeinschaftsgebäude
Links Gemeinschaftsgebäude, rechts Heizzentrale.
Trafostation
Dicht umwachsen findet man die Trafostation
Kläranlage
Außerhalb der umzäunten Anlage stehen die Reste der Kläranlage des Fertigungsgebietes
Arbeiterlager
Steinbaracke des Arbeitslagers am Nordrand des Betriebsgeländes von „Wittekind“
 

Orange: Die Material-Seilbahn
Karte
Maßstab

Quellenangabe:
- Niedersächsisches Umweltministerium: Gefährdungsabschätzung von Rüstungsaltlasten in Niedersachsen
- Arbeitsgemeinschaft für Südniedersächsische Heimatforschung e.V.: Rüstungsindustrie in Südniedersachsen während der NS-Zeit
- Frank Baranowski: Geheime Rüstungsprojekte in Südniedersachsen und Thüringen während der NS-Zeit
- Der Spiegel 48/2000: Operation Puschkin
 
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