Relikte
des Kalten Krieges:
Auf dieser Seite werden Details eines Autobahn-Notlandeplatzes (NLP) anhand
des NLP II/7 Ahlhorn vorgestellt, ergänzt durch diverse Bilder einer Aktivierungsübung.
Allgemeine Informationen über Sinn und Zweck dieser Anlagen sind auf der Themenseite zu
finden.
Der siebte und gleichzeitig letzte in Niedersachsen eingerichtete NLP wurde auf
der A29 geschaffen. Die Strecke vom Autobahndreieck Ahlhorn Richtung
Oldenburg ist Anfang der 1980er Jahre gebaut worden. Zwischen den Streckenkilometern
8,3 und 10,7 hatte man den Autobahn-Notlandeplatz II/7 angelegt. Er lag
auf Höhe des Ortes Ahlhorn, nur gut 4 km entfernt vom gleichnamigen Fliegerhorst.
Die Autobahn 29 verlief in Nord-Süd-Richtung. Die Forderung, den NLP
in der Hauptwindrichtung auszulegen, ließ sich nicht verwirklichen. Dazu
hätte es hier eine Ost-West-Ausrichtung sein müssen, aber soweit reichte
der Einfluß des Militärs auf die Planungen für die Autobahn natürlich
nicht. Im März 1984 war die Anlage soweit fertiggestellt, daß eine NLP-Übung
durchgeführt werden konnte. Im April wurde die Autobahn schließlich für
den Kraftverkehr freigegeben.
In seiner Ausführung wich er etwas von den älteren NLP ab, er verfügte
über einen dritten Abstellplatz für Luftfahrzeuge. Jeweils am nördlichen
und südlichen Ende der Startbahn wurden die typischen trapezförmigen
Abstellplätze geschaffen. Beide lagen an der Ostseite der Fahrbahn. Den
südlichen hatte man zum Autobahn-Parkplatz ausgebaut. Beim nördlichen
war auf der kurzen Entfernung natürlich kein Bedarf für einen weiteren
Rastplatz.
Am südlichen Ende ist auf der Westseite der Piste ein regulärer Autobahn-Parkplatz
angelegt worden. Er entsprach nicht der Auslegung eines üblichen Abstellplatzes.
Die Abstellfläche war deutlich kleiner und es gab keine separaten Rollwege
unmittelbar zur Startbahn. Flugzeuge konnten über die gewöhnlichen Ausfahrtspuren
auf den Platz gelangen. Diese Möglichkeit ist als zusätzliche Parking-Area
genutzt worden, so verfügte der NLP Ahlhorn über eine größere Abstellkapazität.
Die Fahrbahndecke bestand aus Beton, wie im Autobahnbau üblich. Damit
fehlte jedoch der auf Flugplätzen verwendete Anti-Skid-Belag, der den
Rädern der Luftfahrzeuge besseren Halt gibt. Bei Regen gab es auf dem
Notlandeplatz dementsprechend eine höhere Rutschgefahr.
Die Umgebung des NLP ist Wasserschutzgebiet. Daher hatte man am Rand
der Piste Wasserablaufrinnen angelegt. Für die Flugzeuge bedeutete das
eine zusätzliche Gefahr beim Abkommen von der Landebahn.
Auffällig ist, daß nur 300 m nördlich der eigentlichen Startbahn eine
7,2 m hohe Brücke die Autobahn überquert. Bemerkenswert dabei ist besonders,
daß die Geländer dieses Hindernisses für den Flugbetrieb nicht demontiert
wurden, wie die Bilder von der Übung unten zeigen. Der Aufsetzpunkt lag
491 m hinter der Brücke. Beim Anflug im regulären 3°-Winkel war das grundsätzlich
unproblematisch, bedeutete jedoch für die Piloten sicherlich einige Überwindung.
Beim Aufbau des Platzes schuf man die erforderlichen Anlagen
entlang der Piste. Es wurden mehrere Flächen geebnet und mit Grasnarbe
versehen. Darauf fanden die Fahrzeuge und Geräte ihren Stellplatz. Im
Umfeld gab es Möglichkeiten, die weiteren Fahrzeuge, Container und Zelte
abzustellen bzw. aufzubauen, die nicht unmittelbar mit dem Flugbetrieb
zu tun hatten.
Alle Bereiche waren über Wege oder befestigte Straßen von außen anfahrbar.
An mehreren Stellen führten Asphaltstraßen bis an die Autobahn heran.
Allerdings war die wichtige Nord-Süd-Verbindung auf der Ostseite nur
ein Sandweg, der nach Regen schnell für schwerere Fahrzeuge unpassierbar
werden konnte. Es stand ein Kabelnetz für Fernsprechverbindungen zur
Verfügung. An allen wichtigen Standplätzen waren die zugehörigen Anschlußkästen
aufgestellt.
Die Hauptaufgabe eines NLP war neben Wartung auch das Betanken und Aufmunitionieren
der Flugzeuge. Dafür konnten im Umfeld feldmäßige Tank- und Munitionslager
aufgebaut werden. Der NLP Ahlhorn hatte aber in der Hinsicht einige Vorteile
durch in der Gegend bereits vorhandene Anlagen. Die mit diversen Lagerbunkern
ausgestattete Luftwaffenmunitionsniederlage des Fliegerhorstes Ahlhorn
befand sich auf dem Gelände des früheren Feldflugplatzes
Bissel, nur rund 2 km nordwestlich vom NLP. Ebenfalls ganz in der Nähe verläuft eine
Strecke der NATO-Pipeline. Über einen Notentnahmeschacht konnten daraus Flugfeldtankwagen unmittelbar
befüllt, oder mittels Material der Pipeline-Pioniere eine Zweigleitung
zu einem Feldtanklager verlegt werden.
Die NLP-Übung „Highway '84“
Die Zeit zwischen der Fertigstellung des Streckenabschnitts und seiner
Freigabe für den Kraftverkehr war ein günstiger Moment für Flugübungen
auf dem Notlandeplatz. Auf Veranlassung durch das Luftflottenkommando
wies die 3.
Luftwaffendivision das auf dem Fliegerhorst Oldenburg beheimatete Jagdbombergeschwader (JaboG) 43 an, eine solche Aktivierung des
NLP Ahlhorn durchzuführen.
Das JaboG 43 hatte bereits einige Erfahrung mit diesen Aktionen. Bei
den vergangenen NLP-Übungen in Niedersachsen waren die Oldenburger stets
eingebunden: Im Juni 1966 auf dem NLP II/1 Wildeshausen, Juni 1967 auf
dem NLP II/2 Bakum, September 1977 auf dem NLP II/5 Uthlede, und schließlich
im November 1981 auf dem NLP II/6 Nordholz.
Die Übung 1984 lief im Rahmen einer DOBAS-Übung. DOBAS steht für Deployment
Operation Base Activation and Support. Mit Deployment Operating Base
(DOB) werden Ausweichflugplätze bezeichnet. In diesem Fall sind darin
auch die Autobahn-Notlandeplätze eingeschlossen. Der Allgemeinheit wurde
die NLP-Übung unter den Namen „Highway Airfield“ oder „Highway '84“ bekannt.
Im September 1983 traf der Befehl zur Durchführung für das
folgende Frühjahr beim JaboG 43 ein. Ausgerechnet zu der Zeit sollte
auch die Taktische Einsatzüberprüfung, im NATO-Englisch Tactical Evaluation
(TAC EVAL), des Geschwaders stattfinden. So ergab sich für den Großteil
des Personals eine doppelte Belastung.
Für spezielle Aufgaben und zur Entlastung ist dem Verband für die NLP-Aktivierung
Personal von anderen Standorten zugefügt worden. Für Arbeiten an der
Infrastruktur traten Luftwaffen-Pioniere aus Diepholz und
Fürstenfeldbruck (Bayern) hinzu. Aus Upjever und Rheine-Hopsten (Nordrhein-Westfalen) wurde Cross-Servicing-Personal unterstellt.
Dieses war für die Abfertigung fremder Luftfahrzeuge zuständig. Vom Fernmelderegiment
11 aus Osnabrück kamen Soldaten zum Aufbau und Betrieb von Richtfunkverbindungen.
Zur Sicherung des NLP traf eine Kompanie Rekruten des Luftwaffenausbildungsregimentes
4 aus Ulmen (Rheinland-Pfalz) mit 150 Mann ein.
Eine wichtige Unterstützung stellte das Hubschraubertransportgeschwader
(HTG) 64 auf dem benachbarten Fliegerhorst
Ahlhorn. Die Koordinierung der Flugbewegungen im Umfeld des NLP führte das HTG direkt
vom Ahlhorner Tower durch; wegen der Nähe bot sich das an.
Am Montag, 19. März 1984 setzte sich die erste Fahrzeugkolonne
vom Fliegerhorst Oldenburg zum Notlandeplatz Ahlhorn in Bewegung. Auf
acht LKW mit Anhängern war die Grundausstattung verlastet. Die Komponenten
der Flugsicherungsanlage 70 (FSA-70) und alle weiteren für den Betrieb
des NLP erforderlichen Teile konnten nun aufgebaut werden. Es wurden
unter anderem benötigt:
- Kontrollturm (Tower) auf LKW 5 to gl MAN 630 L2A
- UHF-Peiler auf LKW 5 to gl MAN 630 L2AE
- Anflugfeuer TACAN (Tactical Air Navigation)
- Endanflugradar PAR (Precision Approach Radar)
- mobile Landebahnbefeuerung - wurde bei „Highway '84“
erstmals erprobt
- Richtfunk
- Fernsprech-Vermittlung
- Wetterstelle
- Flugabfertigung
- Feuerwehr
- Sanitätszelt
- Sicherungsleitstelle
- Stromversorgung durch mehrere Stromerzeuger auf Anhängern
- Zelte
- Absperrungen
Da der Randstreifen der gerade erst entstandenen Autobahn
noch nicht bewachsen war, wurden Piste und Abstellplätze durch heranwehenden
Sand verdreckt. Feuerwehrfahrzeuge beregneten die Flächen, um den Schmutz
zu binden. Der intensive Einsatz von Startbahn-Kehrmaschinen war ebenfalls
erforderlich.
Bereits am Dienstag konnte der Notlandeplatz „Einsatzklar“ gemeldet werden.
Am Mittwoch begann der Flugbetrieb auf dem NLP Ahlhorn. Als
erste Maschine landete eine Transall C-160 der Bundesluftwaffe. Am gleichen
Tag traf das restliche Personal mit weiteren Komponenten aus Oldenburg
ein. Sie waren wegen der TAC EVAL zunächst in der Heimatbasis verblieben.
Die Überprüfung hatte man an diesem 21. März mit erfolgreichem Ergebnis
beendet. Nun konnte der Flugbetrieb in vollem Umfang aufgenommen werden.
Der Notlandeplatz wurde zum verkehrsreichsten Flugplatz Norddeutschlands.
Nur selten gab es Gelegenheit, auf einer solchen Piste zu üben. Dementsprechend
hatten viele NATO-Partner den Wunsch, während der Übung den NLP anzufliegen.
So kamen hier neben den deutschen auch Flugzeuge aus den Ländern Norwegen,
Dänemark, Niederlande, Belgien, Großbritannien und den USA zum Einsatz.
Darunter war ein ganzes Spektrum an Flugzeugtypen zu finden, von leichten
Jagdbombern wie dem Dassault/Dornier Alpha-Jet, bis zu viermotorigen
Transportern wie der Lockheed C-130 Hercules.
Insgesamt gab es mehr als 2.400 Flugbewegungen auf dem NLP. Darunter
waren über 400 Starts und Landungen und mehr als dreimal so viele Touch & Go-Anflüge,
also kurzes Aufsetzen und Durchstarten. Um längere Rollbewegungen am
Boden zu vermindern, ist in beide Richtungen gestartet und gelandet worden.
Einige Ereignisse ragten aus dem regulären Betrieb heraus.
Eine General Dynamics F-16 Fighting Falcon der US Air Force landete mit
Vogelschlag im Triebwerk, den der Pilot nicht bemerkt hatte. Die Turbine
mußte ausgewechselt werden. Dazu flog amerikanisches Instandsetzungspersonal
und Gerät mit einer Lockheed C-130 Hercules ein.
Ein Lockheed F-104 Starfighter geriet beim Wenden von der befestigten
Piste ab und sackte im weichen Untergrund ein. Das Flugzeug mußte mit
Hebegerät herausgezogen werden. Nach einer Sonderkontrolle des Fahrwerks
konnte die Maschine wieder starten.
Kritischer waren die Folgen einer deutlich zu früh aufsetzenden McDonnell
Douglas F-4 Phantom II. Sie berührte dabei die festen Leitplanken der
Autobahn. Für das Auswechseln der beschädigten Teile benötigte man einen
Tag, danach war die Maschine wieder einsatzbereit.
In der zweiten Woche der Übung ereignete sich ein schwerwiegenderer Unfall.
Nach Ausfall der Bugradsteuerung kam ein landender Lockheed F-104G Starfighter
von der Bahn ab. Das Flugzeug geriet dabei in die Wasserablaufrinne am
Rand der Piste. Dabei riß das Bugrad ab, der Pilot blieb jedoch glücklicherweise
unverletzt. Der Schaden war aber so groß, daß die Maschine abgerüstet
und auf dem Landweg zur Heimatbasis gebracht werden mußte.
Schließlich ist ein Anschlag auf den Flugbetrieb zu erwähnen. Das Jahr
1984 lag in der Hochphase der Friedensbewegung. Daraus hatten sich einige
Personen radikalisiert. Unbekannte warfen im Schutz der Nacht metallene
Krähenfüße auf die Landebahn. Die Objekte wurden jedoch bei Kontrollfahrten
entdeckt und konnten vor Beginn des Flugbetriebes beseitigt werden. Die
Bewachung des Notlandeplatzes hat man daraufhin intensiviert.
Das Interesse von höheren Militärs an der Übung war groß.
Die Kommandierenden Generäle von Luftflotte und 3. Luftwaffendivision
erschienen mehrfach vor Ort. Am Donnerstag der dritten Woche, dem 5.
April 1984, wurde ein Sonderprogramm absolviert, bei dem unter den vielen
hochrangigen Gästen auch der Bundeskanzler, der Verteidigungsminister
und der Inspekteur der Luftwaffe anwesend waren. In einer 75 Minuten
dauernden Vorführung ist dabei das Nutzungsspektrum eines NLP vorgestellt
worden. Dieser Tag bildete gleichzeitig den Abschluß der Übung „Highway
'84“.
Am 6. April begann der Abbau der Einrichtungen. Die Übung lief somit
über knapp drei Wochen. An ihrem Ende standen rund 480.000 Liter umgeschlagener
Flugtreibstoff sowie 17.000 verbrauchte Liter Diesel für Fahrzeuge und
Generatoren. Neben den Piloten sammelte hier dementsprechend auch das
Bodenpersonal viele Erfahrungen. „Highway '84“ war die größte und gleichzeitig
auch letzte NLP-Übung der Bundeswehr.
Weitere Befliegungen des Notlandeplatzes II/7 fanden nicht
mehr statt. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre fiel bei der Bundeswehr
die Entscheidung, auf die Aufrechterhaltung von Notlandeplätzen fortan
zu verzichten. Im Laufe der folgenden Jahre sind die meisten Anlagen
bei anstehenden Straßenerneuerungen zurückgebaut worden. Im Fall des
NLP Ahlhorn erfolgte erst im Oktober 2006 die Entfestigung des betonierten
Mittelstreifens.
Zustand:
Der Mittelstreifen wurde entfestigt und begrünt, so ist das auffälligste
Merkmal inzwischen nicht mehr erkennbar. Die gerade Streckenführung
und die besonders geformten Abstellplätze im Süden sind aber noch heute
deutlich auszumachen.
Zugang:
Der ehemalige Notlandeplatz ist öffentlicher Grund. Allerdings darf die
Fahrbahn natürlich nicht betreten werden.
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Blick
aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Fotos:
Blick auf den Autobahn-Notlandeplatz aus Richtung Norden.
Auf diesem älteren Bild ist der betonierte Mittelstreifen sichtbar.
Inzwischen ist der Mittelstreifen entfestigt und begrünt worden.
Die südliche Abstellfläche auf der Ostseite der Piste.
Ebenfalls im Süden bestand auf der westlichen Seite eine weitere Abstellmöglichkeit.
Die Abstellfläche im Norden wurde nicht zum Parkplatz ausgebaut.
Die Rollwege von der Abstellfläche zur Startbahn waren mit Leitplanken
abgesperrt.
Die Leitplanken sind durch Steckverschlüsse schnell demontierbar gewesen.
Blick über beide Fahrbahnen und den Mittelstreifen.
Für Kraftfahrzeuge existierten mehrere Zufahrten aus dem örtlichen Straßennetz.
Ein Anschlußkasten für Kommunikationseinrichtungen.
Abstellfläche für Betriebsfahrzeuge, hinten links ein weiterer Anschlußkasten.
Eine weitere abgesperrte Zufahrt für Fahrzeuge.
Die örtlichen Nebenstraßen wiesen eine größere Breite auf, wenn sie in
die Infrastruktur des NLP einbezogen waren.
Dieser Vorfluter hätte, mit Wasser befüllt, als Feuerlöschteich genutzt
werden können.
Bilder der DOBAS-Übung
„Highway '84“:
Eine Schrägaufnahme vom NLP Ahlhorn aus dem Jahr 1984. Der Blick geht
Richtung Norden.
Blick nach Süden - einst...
...und jetzt.
Anflug einer Lockheed C-130 Hercules der US Air Force.
Selbst diese großen viermotorigen Transporter mit maximal rund 80 to
Gewicht konnten auf der Piste landen.
Bemerkenswert ist das Hindernis Autobahnbrücke. Bis zum Beginn der Landebahn
sind es nur noch 300 m, bis zum Aufsetzpunkt knapp 500 m.
Fairchild-Republic A-10 Thunderbolt II der US Air Force landet.
Kurz vor dem Aufsetzen.
Eine McDonnell Douglas F-4F Phantom II der Bundesluftwaffe im Anflug.
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