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Rubrik: Fabrikationsanlagen Translation: English French Spanish Italian Dutch Danish Polish Russian
Das V 2-Versuchskommando Altenwalde
 Bis 1945: 
Der Großraum Cuxhaven ist bereits in den 1930er Jahren für Raketenversuche benutzt worden, seine geographischen Gegebenheiten an der Küste machten ihn geeignet dafür. Die deutsche militärische Raketenforschung fand dagegen bekanntermaßen größtenteils auf der Insel Usedom statt, aber ab 1944 sind Raketentechniker aus Peenemünde auch in Altenwalde tätig. Auf dem Schießplatz Altenwalde werden Abschußschleudern für V 1-Flugkörper zur Reichweitenerprobung errichtet. Im Februar 1945 lagerte der Hauptteil der E-Stelle Karlshagen von Usedom zur Evakuierung Richtung Cuxhaven um. Die Flugplätze Bremerhaven-Weddewarden und Nordenham-Blexen waren die Verlagerungsziele. Auf dem Altenwalder Gelände sollte die neue E-Stelle Wesermünde ihre Feuerstellungen erhalten.

 1945 - Die kurze Geschichte des Versuchskommandos Altenwalde: 
Für die Alliierten war es naturgemäß sehr wichtig, die deutschen V-Waffen, insbesondere die V2, für eigene Zwecke in ihren Besitz zu bekommen. Durch den schnellen Vormarsch der US-Truppen fiel das V-Waffen-Montagewerk „Mittelbau Dora“, im Südharz bei Nordhausen, zunächst in die Hand der Westalliierten. Insbesondere die US Army konnte aus dem Werk zahlreiche Teile für über 100 V 2-Raketen abtransportieren, bevor dieser Bereich vertragsgemäß den sowjetischen Streitkräften übergeben wurde. Weitere Raketenteile wurde den Briten übergeben. Diese richteten unter der Bezeichnung „Operation Backfire“ in ihrer Besatzungszone auf dem Schießplatz Altenwalde ein Raketenproduktions- und Forschungszentrum ein. Für Altenwalde entschied man sich, da durch die unmittelbare Nähe der Nordsee gute Beobachtungsmöglichkeiten, u.a. mit Radar, für die Flüge entlang der Küste Richtung Norden gegeben waren.
Anfang Juli 1945 bezog das „Versuchskommando Altenwalde“ das Barackenlager des Schießplatzes. Das Lager des Schützenhauses Cuxhaven-Brockeswalde und der Komplex der Küstenfunkstelle bei Berensch sind zur Unterbringung der Wissenschaftler und Truppen bestimmt worden. Es wurden einige Einrichtungen auf dem Areal neu erstellt, wie z.B. ein Turm für technische Tests, der aus einer senkrecht montierten Pionierbrücke entstand. Auf einer Lichtung im Wernerwald im westlichen Bereich der Liegenschaft errichtete man eine Feuerstellung mit betonierter Grundfläche. Ebenso hat man Beobachtungsbunker eigens für diese Operation gebaut.
Insgesamt zogen die Briten ca. 200 deutsche Raketenwissenschaftler, rund 200 Soldaten der Einsatztruppen und 600 weitere Kriegsgefangene in Altenwalde zusammen, die unter britischer Führung 30 V 2-Raketen zu montieren hatten. Zahlreiche fehlende Teile mußten von den ehemaligen Zulieferbetrieben aus ganz Deutschland zusammengesucht oder sogar nachproduziert werden - nach Kriegsende! Dazu haben die Briten rund 200 Fahrzeuge auf Beschaffungs-Tour geschickt, sie wickelten zusammen in wenigen Monaten rund 500.000 km Fahrleistung ab. Eventuell ist auch aus der Kampfstoffabrik Leese Sauerstoff für die Raketentests beschafft worden. Insgesamt konnten mit den bereitstehenden Komponenten jedoch nur acht Raketen montiert werden. Drei davon hat man zwischen dem 2. und 15. Oktober 1945 erfolgreich auf dem Schießplatz abgefeuert; die Gefechtsköpfe waren mit Sand statt Sprengstoff gefüllt. Die Flüge wurden Richtung Nordsee vor Esbjerg/Dänemark gelenkt.
Die gesamte Operation hat man detailliert in Film und Bild dokumentiert. Die Briten legten Wert darauf, die Betriebsabläufe der Raketenstarts unter möglichst authentischen Bedingungen durchzuführen, dazu ist das gesamte Original-Equipment der Wehrmacht, inklusive aller Fahrzeuge, in seiner jeweiligen Bestimmung benutzt worden. Es gibt zahlreiche historische Fotos dieser Aktion, siehe auch die Links unter „Hinweis“. Die Vielzahl heute verfügbarer Aufnahmen der V 2, erweckt den Eindruck, während des Krieges entstanden zu sein, sie wurden aber hier in Altenwalde produziert.
Mit Beendigung des Produktions- und Versuchsbetriebs, Ende Oktober 1945, ist das Kommando wieder aufgelöst worden.

 Ab 1945
Die Anlagen der „Operation Backfire“ haben die Briten nach Einstellung der Versuche weitestgehend wieder entfernt. Ab 1957 sind auf dem westlichen Bereich des ehemaligen Schießplatzes bis 1964 zahlreiche zivile Raketentests durchgeführt worden. Teilweise leistete auch die Bundeswehr aus der Altenwalder Kaserne logistische Hilfsleistungen für die Erprobungen. Das Gebiet entwickelt sich an der Küste bei den Orten Arensch und Berensch zum Raketenversuchsgelände der Deutschen Raketengesellschaft. Die Versuche reichten von kleinen Raketen für Seenotrettungseinsätze bis zu dreistufigen Flugkörpern, die über 140.000m Höhe erreichen. Rund 500 Starts sind den Jahren durchgeführt worden, bis nach einem Unglück bei einer anderen Raketenvorführung in Braunlage aus Sicherheitsgründen weitere Versuche untersagt wurden.

 Zustand: 
Die Feuerstellung der Operation Backfire ist im Wernerwald noch erkennbar, auf der Fläche sind allerdings zahlreiche Bäume gepflanzt worden. Die Ursprünglich mit einer Betonfläche befestigte Abschußstelle ist heute durch eine Mulde erkennbar, die nach der Entfernung des Beton entstand. Im Unterholz ist der Rest eines gesprengten Beobachtungsbunkers erhalten.

 Zugang: 
Der Bereich der Feuerstellung liegt in einem Naherholungsgebiet und ist frei begehbar.

 Hinweis: 
Es gibt eine interessante Web-Site Englisch über die V 2, darin:
Operation Backfire: http://www.v2rocket.com/start/chapters/backfire.html
Startprozedur mit Bildern aus Altenwalde: http://www.v2rocket.com/start/deployment/procedure.html
Eine Altenwalder V 2 - heute in England: http://www.v2rocket.com/start/others/cosford.html

Außerdem existiert diverse Literatur zum Thema V 2 z.B.:
Titel: Raketenspuren
Autoren: Volkhard Bode und Gerhard Kaiser
Verlag: Bechtermünz
ISBN: 3-86047-584-3
Blick aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Die Feuerstellung im Wernerwald:

Google Maps

Fotos:

Vertiefung
Die Feuerstellung im Wernerwald ist mit Birken bepflanzt, die Vertiefung nach dem Abräumen der Betonfläche ist erkennbar.

Betonbrocken
Betonbrocken in der Vertiefung

Beobachtungsbunker
Zugang zum gesprengten Beobachtungsbunker

Rest
Rest eines weiteren Bunkers

Fundament
Fundament eines Gebäudes unbekannter Funktion

Bahnhof
Blick auf das ehemalige Ladegleis des Bahnhofs Altenwalde


Historische Fotos:
Zeitgenössische Bilder der Operation Backfire, aufgenommen 1945 bei Altenwalde - mit freundlicher Genehmigung von: Tracy Dungan / v2rocket.com

Umladen
Umladen der V 2 im Bahnhof Altenwalde

Lager
V 2 auf Meiller-Transportwagen im Lager Altenwalde

Wernerwald
V 2 wird im Wernerwald startfertig gemacht

Feuerstellung
Die Feuerstellung - am Horizont die Nordsee

Karte
Maßstab

Quellenangabe:
- Tracy Dungan
 
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