Bis
1945:
Die Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH (Wifo) errichtete zwischen
1935 und 1938 südlich der Stadt Nienburg ein Tanklager. Hier, nahe der
Domäne Schäferhof, fand sich ein geeignetes Gelände zwischen der Weser
und der Eisenbahnstrecke von Nienburg nach Minden. Damit standen die seinerzeit
wichtigsten Transportwege für Massengüter direkt angrenzend zur Verfügung.
Das Objekt sollte ein Großtanklager werden, welches hauptsächlich für den
Bedarf der Luftwaffe betrieben wurde. Diese Anlagen erhielten Tarnbezeichnungen.
Bei den Großtanklagern der Wifo endeten deren Namen überwiegend mit „...berg„.
Das Objekt Schäferhof erhielt die Tarnbezeichnung „Kuhberg“.
Von den drei in Niedersachsen angelegten Wifo-Großtanklagern war es mit
ca. 100.000 m³ das kleinste. Zum Vergleich: das Tanklager „Wasserberg“,
Bremen-Farge verfügte über 300.000 m³ Kapazität, „Hellberg“ bei Hitzacker sollte noch größer
ausgebaut werden - dazu kam es dort allerdings nicht mehr.
Das Tanklager Schäferhof wird durch die seinerzeit Reichs-, heute Bundesstraße
215 geteilt. Der Nordteil umfaßt rund 54 ha, der Südteil 31 ha. In beiden Teilen baute man erdüberdeckte Tanks für die Einlagerung von Kraftstoffen.
Im nördlichen Teil wurden drei Behältergruppen errichtet. Eine solche
Gruppe bestand aus 7 bis 9 Stahltanks zu je 3.300 m³ Fassungsvermögen,
welche sternförmig um einen Gruppenverteiler angeordnet waren. Diese
Kraftstoffbehälter sind einzelne liegende Stahlzylinder, die 10 m Durchmesser
und rund 46 m Länge aufweisen. Die metallenen Wandungen sind 10 - 12
mm stark. Dazu kommt ein mindestens 70 cm dicker Stahlbetonmantel. Die
insgesamt 24 Tanks im Nordteil konnten knapp 80.000 m³ aufnehmen.
Auch im Südteil sind drei Gruppen gebaut worden. Hier waren die einzelnen
Behälter kleiner. Genauere Daten darüber liegen allerdings nicht vor.
Die Aufgabe des Tanklagers bestand aus der Herstellung der
von der Luftwaffe benötigten Kraft- und Schmierstoffe durch Mischung
und Veredelung angelieferter Vorprodukte. Für die Produktion wurden auf
dem Gelände weitere Objekte eingerichtet, wie Flugbenzinmischer und Pumpanlagen.
Auch Faßlager und eine Faßreinigungsanlage waren für den Betrieb erforderlich.
Die fertiggestellten Sorten konnten in den unterirdischen Tanks eingelagert
und nach Anforderung abgegeben werden.
Das Gelände des Wifo-Tanklagers Schäferhof grenzt unmittelbar an die
Weser an. Am Ufer wurde eine Anlegestelle geschaffen. Über eine entsprechende
Umschlaganlage konnten dort Tankschiffe be- und entladen werden.
Das Gegenstück für den Schienentransport lag an der Südgrenze. Entlang
der Eisenbahnstrecke wurde eine Verladeanlage für Kesselwaggons errichtet,
mit entsprechenden Abstell- und Rangiergleisen. Diese Gleisanlagen zogen
sich rund 2,2 km entlang der Reichsbahnstrecke hin.
Ein überwiegend im Erdboden geschützt verlegtes Rohrleitungsnetz verband
Produktionsstätten, Lagertanks und Umschlaganlagen mit einander.
Für die Zeit 1944/45 sind Bombardierungen der Liegenschaft
dokumentiert. Am 05. August 1944 erfolgte ein intensiver Angriff durch
die US Air Force. Unmittelbar am Kriegsende sind einige Anlagenteile
von der abziehenden Wehrmacht gesprengt worden. Insgesamt sind durch
Bomben und Sprengungen allein im Nordteil sechs Tanks zerstört worden.
Der Krieg endete für den Raum Nienburg am 9. April 1945 mit der Besetzung
durch britische Truppen.
Ab 1945:
Schon kurz nach Ende des II. Weltkrieges wurde Nienburg zu einer Garnisonsstadt
für Britische Truppen. Aus den anfangs Besatzungstruppen wurden schon
bald NATO-Partner. Die Mudra-Kaserne im Stadtgebiet war vom 1950 bis
1996 mit dem 21 Engineer Regiment belegt.
Auch außerhalb der von den Briten Assaye-Barracks genannten Kaserne wurden
mehrere Liegenschaften von ihnen genutzt. Darunter waren im Südwesten
der Stadt der Wasserübungsplatz an der Weser und der Landübungsplatz
Köhlerberge mit angrenzenden Blanchard-Barracks.
Die Briten übernahmen auch das vormalige Wifo-Tanklager Schäferhof für
ihre Zwecke. Hier betrieb fortan das 4 Petrol Depot des Royal Army Ordnance
Corps (RAOC) wiederum ein militärisches Treibstoffdepot.
Es ging nun nicht mehr um die Bereitstellung von Flugbenzin, sondern
um die Lagerung von Kraftstoff für in diesem Teil Niedersachsens stationierte
Verbände der Army. Für die neue Funktion nahm man einige Umbauten und
Ergänzungen vor. 1970 hatte man schließlich, mangels Bedarf, die Umschlaganlage
an der Weser demontiert. Im Rahmen von Umstrukturierungen der British
Army of the Rhine wurde Mitte der 1970er Jahre beschlossen das Depot
aufzugeben.
1976 übergaben die Briten die Liegenschaft an die Bundeswehr.
Diese setzte, ebenso wie im Tanklager Bremen-Farge, die Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG) als Betreiber eines „Nationalen
Tanklagers“ ein. Dafür wurde nun nur noch der Nordteil genutzt. Im Südteil
ist lediglich die Eisenbahnkesselwagen (EKW)-Verladeanlage in Betrieb
geblieben. Die übrige Fläche dort ist nur noch sporadisch von den Briten
in Übungen einbezogen worden.
Nach der Übernahme durch die IVG folgten diverse grundlegende Umbauten
im Nordteil. Sämtliche Kraftstoff führenden Altanlagen wurden demontiert
und durch neue Anlagen ersetzt, die den aktuell gültigen Vorschriften
entsprachen. Lediglich die eigentlichen Tanks aus den 1930er Jahren konnten,
ergänzt um verschiedene modernere technische Einrichtungen, in der Nutzung
bleiben.
Auf dem Gelände baute man eine Tankkesselwagen (TKW)-Verladeanlage, über
die bis zu acht LKW gleichzeitig mit Kraftstoff befüllt werden konnten.
1983 ist die Eisenbahnkesselwagen-Verladeanlage im Südteil des Tanklagers
grundlegend modernisiert worden. Danach konnten dort 12 Waggons gleichzeitig
be- oder entladen werden. Es wurde auch wieder eine Kraftstoffleitung
an die Weser zum alten Anleger gelegt. Allerdings ist dort eine komplette
Verladeanlage nicht mehr errichtet worden.
Wichtiger war der Anschluß an die NATO-Pipeline.
Seit Ende der 1960er Jahre verlief die Leitung Bramsche - Hodenhagen
in rund 7 km Entfernung am Tanklager Schäferhof vorbei. Nun wurde die
Trassierung so geändert, daß die Leitung unmittelbar am Tanklager vorbei
führte. Damit konnte Schäferhof einen direkten Anschluß an diese wichtige
Fernleitung bekommen. Zur Auslagerung wurde im Nordteil eine Hochdruckpumpstation
aufgebaut.
Bis zum Ende des Kalten Krieges erfolgten immer wieder Ausbauten
und Sanierungen. Auch danach lief der Betrieb weiter. 1995 begann im
Südteil die endgültige Beseitigung der verbliebenen Anlagen. Der mit
Mineralöl-Rückständen belastete Boden dieses Bereichs mußte saniert werden.
Solche Maßnahmen zielten bereits darauf ab, diesen Bereich dem zivilen
Gewerbegebiet Schäferhof zuzuschlagen.
Der Nordteil sowie die EKW-Verladeanlage im Südteil blieben zunächst
unter dem Titel „IVG Logistik GmbH, Tanklager Nienburg“ in Betrieb. Schließlich
wurde aber auch dafür verkündet, daß die Anlage aufgegeben werden sollte.
Am 31. Dezember 2007 endete schließlich die Nutzung durch die IVG.
Es konnte ein neuer Betreiber gefunden werden, sodaß es zu keiner größeren
Unterbrechung kommt. Die Firma „Best Oil GmbH“ wird hier künftig biogene
Kraftstoffe einlagern.
Zustand:
Wie zuvor beschrieben, sind abgesehen von der 24 erdüberdeckten Lagertanks
im Nordteil, sämtliche Altanlagen beseitigt worden. Somit ist das Tanklager
Schäferhof heute hauptsächlich ein Zeugnis der Epoche des Kalten Krieges.
Zugang:
Beide Bereiche des ehemaligen
Wifo-Tanklagers „Kuhberg“ dürfen nicht betreten werden. |
Blick
aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Fotos:
Nördlicher Bereich:
Haupteinfahrt zum Nordteil, dem vormaligen IVG-Tanklager Nienburg.
Einer der im II. Weltkrieg beschädigten Lagerbehälter. Gut erkennbar
ist die Vernietung des Stahls.
Die Abdeckung des Wartungsschachtes eines Treibstofftanks
Auf dem Gelände befinden sich diverse Schieberschächte des Leitungsnetzes
Südlicher Bereich:
Unmittelbar neben der Eisenbahnstrecke Nienburg - Minden führt ein Anschlußgleis
durch ein Tor zur Verladeanlage.
Waggons in der Eisenbahnkesselwagen-Verladeanlage
Blick auf eine alte Verladerampe
Außerhalb:
Südlich der Eisenbahnstrecke, außerhalb der Umzäunung, steht eine einzelne
Einmann-Splitterschutzzelle.
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