Bis
1945:
Die auf dieser Seite vorgestellte Anlage liegt nur einige hundert Meter
jenseits der Landesgrenze, in Sachsen-Anhalt. Da in Niedersachsen kein
Objekt der gleichen Kategorie existiert, wird es in diese Website aufgenommen.
Die
offizielle Bezeichnung der Dienststelle lautete Luft-Munitionsanstalt
6/VI Beendorf. Die römische Ziffer steht für das Luftgaukommando VI,
welches im westfälischen Münster beheimatet war. Die Besonderheit der
Muna Beendorf ist die Nutzung eines ehemaligen Bergwerkes.
Der Ort Beendorf liegt gut 5 km östlich von Helmstedt. Direkt am westlichen
Rand des Dorfes verläuft die Grenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.
Diese stellte während des Kalten Krieges die innerdeutsche Grenze dar,
und damit auch die Trennlinie der Militärblöcke NATO und Warschauer Pakt.
Bei Beendorf konnte in der Zeit die Grenze nicht passiert werden.
Bereits ab dem 12. Mai 1897 ist am Südrand von Beendorf durch
die „Gewerkschaft Burbach“ ein Bergwerk zum Abbau von Kalisalz eingerichtet
worden. Hier entstand der Schacht „Marie“, der im Endstand bis in 520
m Tiefe reicht. Der Abbau startete am 31. August des Folgejahres. 1901
ergänzte man das oberirdische Schachtgelände um eine Chlorkalium-Fabrik,
genannt Fabrik Burbach. Damit konnte die weitere Verarbeitung der Kalisalze
zu Dünger unmittelbar vor Ort durchgeführt werden.
Im Jahre 1903 verfügte die preußische Regierung die sogenannte Zweischachtverordnung,
zur Steigerung der Sicherheit des untertägigen Abbaues. Damit wurde verpflichtend,
daß jedes Kalibergwerk mindestens zwei befahrbare Schächte zur Verbindung
mit der Oberfläche besitzen mußte. Für die Erfüllung dieser Auflage ist
ab dem Jahre 1910 am Rand von Morsleben, 1,6 km südlich gelegen, ein
weiterer Schacht niedergebracht worden. Trotz seiner Lage erhielt er
die Bezeichnung „Bartensleben“; das Dorf Groß Bartensleben liegt gut
2 km nordöstlich. Unterirdisch hat man „Marie“ und „Bartensleben“ miteinander
verbunden. Die Förderung des Salzes erfolgte fortan zum Großteil aus
„Bartensleben“. „Marie“ diente nun zur Belüftung, bergmännisch Bewetterung
genannt, und als Notausstieg. Es war jetzt erforderlich, das abgebaute
Kalisalz für die Verarbeitung zur Fabrik Burbach nach Beendorf zu transportieren.
Dazu ist eine Material-Seilbahn über das freie Feld gebaut worden.
Nach Ende des I. Weltkrieges befand sich Deutschland in einer Wirtschaftskrise.
Auf dem Kalimarkt bestanden Überkapazitäten. Als Folge entschloß sich
der Burbach-Konzern zur Einstellung der Kali-Förderung in Beendorf. Am
1. November 1924 endete hier der Betrieb. Die angrenzende Fabrik Burbach
konnte noch bis 1927 weiterarbeiten. Die Förderung über Schacht „Bartensleben“
lief bis 1931.
Anfang 1933 ergriffen die Nationalsozialisten die Macht in
Deutschland. Schon bald danach betrieben diese eine massive Aufrüstung.
In dem Zusammenhang sollten zahlreiche Munitionsanstalten im gesamten
damaligen Reichsgebiet eingerichtet werden. Für Heer, Luftwaffe und Marine
waren jeweils eigene Dienststellen vorgesehen, die den Bedarf an Munition
abdecken konnten.
Zunächst mußten geeignete Standorte gefunden werden. Dazu gerieten auch
ungenutzte Bergwerke in den Blick der Planer. Diese boten brauchbare
Möglichkeiten, Munition untertage einzulagern. Einerseits war dort die
Gefährdung der Umgebung durch die explosiven Teile stark reduziert. Andererseits
entzog man die Bestände so auch der Gefährdung durch feindliche Luftangriffe.
Allerdings zeigte sich schon bald, daß die salzhaltige Luft in den Kali-Bergwerken
zur Korrosion der Munition führte.
Während das Heer mehr als 20 dieser Objekte vorsah, blieb das bei der
Luftwaffe die Ausnahme. Diese errichtete nur drei Luft-Munitionsanstalten
in Bergwerken. Eine davon in Beendorf. Nur gut 10 km nordwestlich befand
sich die Heeres-Munitionsanstalt
(Bergwerk) Grasleben.
Der Burbach-Konzern verpachtete ab 21. April 1937 die komplette
Schachtanlage „Marie“ mit der angrenzenden Fabrik Burbach an die Luftwaffe.
Am 5. Juli begann hier die Einrichtung der Luft-Munitionsanstalt 6/VI.
Einige vorhandene oberirdische Bauten der Fabrik Burbach, sowie mehr
als zehn neu errichtete, dienten als Lagerhäuser und Werkstätten. In
ihnen konnten die benötigten Materialien deponiert werden. Südlich außerhalb
des bisherigen Werksgeländes entstand das Fertigungsgebiet. Hier baute
man zwei Munitionsarbeitshäuser, in welchen Granaten mit Zündern versehen,
sowie Instandsetzungsarbeiten durchgeführt werden konnten.
Die Einlagerung der Munition erfolgte in 360 m Tiefe. Dort lag die Hauptfördersohle
aus Zeiten des Bergwerks. Ausgehend von den vorhandenen Stollen schuf
man 152 Kammern. Diese hatten eine Grundfläche von 18x22 m bei 2,5 m
Höhe. Auf diesen 400 m² konnten jeweils 100 t explosive Materialien deponiert
werden.
Hauptaufgabe der Muna Beendorf war die Bezünderung und Lagerung
von Munition für den Bedarf der Luftwaffe. Verarbeitet wurden hier anscheinend
hauptsächlich Granaten für Flugabwehrkanonen, und Munition für die Bordwaffen
von Flugzeugen in unterschiedlichen Kalibern.
Granaten sind bereits mit Sprengstoff befüllt per Eisenbahn angeliefert
worden. In den Arbeitshäusern versah man sie mit Zündern. Patronen kleinerer
Kaliber mußten nicht weiter verarbeitet werden. Enthielten die Projektile
keine explosive Ladung, gab es auch keinen Zünder.
Der untertägige Lagerbereich konnte einen umfangreichen Bestand aufnehmen.
Nach Anforderungen durch die verwendende Truppe, hat man entsprechende
Chargen zusammengestellt und für den Versand vorbereitet. Der Abtransport
erfolgte wiederum per Eisenbahn zu den verbrauchenden Luftwaffenverbänden
in Deutschland und den besetzten Ländern Europas.
Die Luftwaffen-Munitionsanstalt mußte im Sommer 1944 ihre
Kampfmittel aus den Stollen auslagern. Über diesen Vorgang liegen keine
näheren Angaben vor. Südlich des Arbeitsbereiches wurden sieben erdüberdeckte
Lagerbunker errichtet. Diese sind standardisierte Bauten des Typs Munitionshaus
(MH) 30 t. Sie verfügen über 250 m² Nutzfläche, und weisen zwei Eingänge
auf. Somit stand über Tage, verglichen mit den Stollen, nur ein kleiner
Bruchteil an geschützten Lagerkapazitäten für die Munition zur Verfügung.
Wahrscheinlich fanden die Kampfmittel zum Großteil ihren Platz in provisorischen
hölzernen Munitionsschuppen und Zelten, auf den umliegenden Flächen.
Außerdem wird generell die Menge der Munition in Beendorf reduziert worden
sein.
Aufgrund der sich ständig verschlechternden Lage, mit einer
zunehmenden Gefahr für Industriewerke durch Bombardierungen, wurde die
Verlagerung industrieller Fertigungen in Bergwerke begonnen. Dazu hatte
man auch die Schachtanlagen in Beendorf und Morsleben ausgewählt. Wie
bei allen ähnlichen Rüstungsprojekten üblich, sind für beide Objekte
Decknamen festgelegt worden. Beendorf erhielt die Bezeichnung „Bulldogge“,
Morsleben bekam „Iltis“.
Am 29. Dezember 1943 erfolgte eine Besichtigung des Schachtes „Bartensleben“
durch ein Kommando des „Sonderstabes Höhlen“. Dieses beschlagnahmte dabei
die unterirdischen Räume für Fertigungszwecke der Industrie. Vorgesehen
war die Unterbringung von Produktionsanlagen der Lutherwerke aus Braunschweig-Waggum,
und der Askania-Werke aus Berlin. Die Federführung für das Vorhaben übernahm
die SS, sie war für die Umsetzung verantwortlich. Das Projekt erhielt
die Kennung A3. Die für die neue Nutzung erforderlichen Bauarbeiten führten
zivile Firmen durch. Die SS hat diesen Firmen KZ-Häftlinge als Arbeitskräfte
zugewiesen.
In „Bartensleben“ sollten dem Lutherwerk 30.000 m² und Askania 22.000
m² zur Verfügung gestellt werden. Allerdings ist im März 1944 beschlossen
worden, daß nur die Askania-Werke hier Räume bekommt. Noch während die
untertägigen Baumaßnahmen liefen, begann im Mai 1944 der Einzug des Werkes.
Zuerst traf hier eine Tochterfirma der Askania ein, die bislang in Lodz
ansässige Fluggerätewerk GmbH. Für deren Zivilarbeiter hat man mehrere
Hallen in der Muna Beendorf zu Massenunterkünften umgebaut. Noch im Laufe
des Mai startete die Produktion unter Tage. Der Ausbau in Bartensleben
war im August abgeschlossen. Am 7. Dezember 1944 erging die Meldung,
daß der Einzug in „Bartensleben“ nun weitgehend vollzogen ist.
Im Frühjahr 1944 schlug der Burbach-Konzern vor, auch den
Schacht „Marie“ industriell zu verwenden. Im Mai besprach der „Jägerstab“
diese Möglichkeit. Die Muna Beendorf nutzte zu der Zeit nur rund 1/3
der verfügbaren Fläche. Schließlich gab am 25. Juli das Rüstungsamt die
Belegung von Schacht „Marie“ mit Rüstungsindustrie bekannt. Das Luftfahrtgerätewerk
Hakenfelde GmbH (LGW) sollte hier einziehen.
Die Mehrzahl der untertägigen Kammern wurde nun dem Jägerstab zugeschlagen.
Die Muna blockierte aber weiterhin 60 Munitionskammern. Aus naheliegenden
Gründen kam es für die Industrie nicht in Frage, im Umfeld der eingelagerten
Munition zu arbeiten. Bei einem untertägigen Explosionsunglück wäre es
sehr wahrscheinlich auch zur Zerstörung des Betriebes, und der Tötung
seiner Mitarbeiter gekommen. Die Luftwaffe wollte aber auf die Munitionsanstalt
nicht verzichten. Der Jägerstab setzte sich durch, im Juli wurde das
Ende der Einlagerung von Kampfmitteln in den Stollen beschlossen. Nicht
explosives Material konnte die Muna weiterhin untertage deponieren.
Die Baumaßnahmen im Schacht „Bartensleben“ waren im August 1944 abgeschlossen.
Dort eingesetzte Kräfte begannen nun mit dem Umbau im Schacht „Marie“.
Zur Steigerung der Leistungsfähigkeit ist dabei das Fördergerüst einschließlich
Antrieb erneuert worden. Lief bislang die Förderung mit Dampfantrieb,
kamen nun Elektromotoren zum Einsatz. An mehreren Stellen hat man zwei
vorhandene Munitionskammern miteinander verbunden, um passende Grundflächen
zu schaffen.
Ab Dezember 1944 zogen Belegschaft und Produktionsanlagen der Firma LGW
von Berlin nach Beendorf um. Es wurden nun auch einige oberirdische Hallen
der Fabrik Burbach belegt, zusammengefaßt 18.000 m². Ende Januar 1945
startete der Einzug in die untertägigen Räume. Zunächst nutzte man 34
vormalige Munitionskammern zu je 400 m². Bis zum Ende des Krieges waren
2/3 der Anlage fertiggestellt.
Die Askania in Morsleben fertigte als Zulieferer elektromechanische
Teile für den Bedarf der Flugzeughersteller. Darunter waren Geräte für
verschiedene Flugzeugtypen, die automatische Steuerung und der Fernkompaß
für den Marschflugkörper V1, sowie hydraulische Servomotoren für die
Rakete V2. Außerdem produzierte man für die Marine Sehrohre für U-Boote
und Torpedosteuerungen.
In Beendorf stellte die zum Siemens-Konzern gehörige LGW, in Zusammenarbeit
mit Askania, den zuvor genannten Fernkompaß für die V1 her. Dazu kamen
Rudermaschinen, die in der in Entwicklung stehenden Flugabwehrrakete
„Enzian“ eingesetzt werden sollten.
Wie schon früher von der Muna festgestellt, wirkte sich das untertage
vorhandene Klima negativ auf die Produkte aus. Insbesondere die filigranen
feinmechanischen Teile, und die benutzten Maschinen bekamen zum Teil
Korrosionsschäden. Trotzdem lief der Betrieb bis zum Kriegsende. Allerdings
bewirkten äußere Umstände deutliche Reduzierungen. Aufgrund der in den
letzten Monaten des Krieges gravierenden Zerstörungen der Verkehrs-Infrastruktur,
kam benötigtes Material nur noch eingeschränkt in Beendorf und Morsleben
an. Ebenso konnten fertige Produkte nur noch teilweise ausgeliefert werden.
Über die in der Munitionsanstalt bei Aufbau und Betrieb beschäftigten
Arbeitskräfte liegen nur wenige Daten vor. 1937 sollen 40 bis 50 Häftlinge
aus dem KZ Buchenwald für Bauarbeiten hierher abgestellt worden sein.
Sie waren in der Zuckerfabrik Alleringersleben untergebracht. Vor Beginn
des II. Weltkrieges werden in der Muna Beendorf hauptsächlich Zivilbeschäftigte
aus der Umgebung tätig gewesen sein.
Ab Kriegsbeginn veränderte sich die Situation. Zum einen mußten die Männer
vermehrt in die Wehrmacht einrücken. Zum anderen stieg der Bedarf an
Munition massiv an. 1940 trafen weitere Häftlinge ein, diesmal aus dem
KZ Neuengamme. Nun wurde ein Arbeitslager beim Beendorfer Schacht eingerichtet.
In dieser Zeit war der Einsatz von Fremd- und Zwangsarbeitern sowie Kriegsgefangenen
in Munitionsanstalten üblich. Arbeitskräfte aus dem Ausland hatte man
in den Muna-Hallen Nr. 1, 3, 10, 11 und 12 untergebracht. Deutsche Kräfte
bekamen ihre Unterkunft in umliegenden Orten.
Mit dem Start des Umbaus der Stollen für die Rüstungsindustrie
begann die schlimmste Zeit für die Arbeiter, mit schwersten Tätigkeiten
bei gleichzeitig völlig unzureichender Versorgung. Im März 1944 ist in
Beendorf ein erstes Außenlager des KZ Neuengamme eingerichtet worden.
Es lief unter der Bezeichnung Helmstedt-Beendorf (Männer). Darin wies
die SS rund 800 sogenannte Bauhäftlinge ein. Diese sollten den Umbau
der Schachtanlage in Morsleben durchführen. Ihr Quartier war das Erdgeschoß
der Muna-Halle Nr. 13.
Im November 1944 folgte als zweites das Lager Helmstedt-Beendorf (Frauen).
Hier kamen rund 2.500 Frauen als sogenannte Fertigungshäftlinge unter.
Sie mußten in der Rüstungsproduktion arbeiten. Zur Unterbringung von
1.200 Frauen diente die erste Etage in Halle 13. Jüdische Frauen waren
separat in Halle Nr. 14 einquartiert.
In den letzten Monaten des Krieges hat die SS vermehrt KZ-Häftlinge nach
Beendorf verlegt. Dies erfolgte als Reaktion auf den Vormarsch der Alliierten.
Kurz vor deren Einmarsch transportierte man Häftlinge aus dortigen Lagern
ab. Schließlich befanden sich etwa 4.500 Menschen in Beendorf. Die schon
seit Beginn völlig ungenügenden Verhältnisse in den Lagern steigerten
sich damit ins Extreme.
Kurz vor Eintreffen der Amerikaner sollten nun auch die Beendorfer Lager
„evakuiert“ werden. Am 10. April 1945 sind über 4.000 KZ-Häftlinge mit
Güterwaggons über einige Umwege zum KZ-Außenlager Wöbbelin in Mecklenburg-Vorpommern
verbracht worden. Die Fahrt dauerte 6 Tage, in denen keine Versorgung
stattfand. Die Männer blieben dort, für die Frauen ging der Transport
noch weiter nach Hamburg, was wiederum 4 Tage dauerte. Die gesamte Odyssee
verursachte weit mehr als 500 Todesopfer!
Am Ende war angedacht, die Stollenanlagen durch Sprengungen
dem Zugriff durch die Alliierten zu entziehen. Dazu kam es jedoch nicht.
Am 12. April 1945 erreichten Verbände der US Army den Raum Helmstedt,
und beendeten den II. Weltkrieg für diese Region.
Ab 1945:
Die bereits im Vorjahr beschlossene Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen
der Siegermächte sollte erst am 1. Juli 1945 vollzogen werden. Zuvor
besichtigten Teams der US Army und der British Army Rüstungsobjekte
in den bald zu räumenden Gebieten. In Beendorf und Morsleben fanden
diese Inspektionen vom 14. bis 15. Mai und vom 27. bis 30. Mai statt.
In der Folgezeit war es der Askania noch möglich, 250 ihrer Maschinen
nach Helmstedt zu transportieren, um sie dem Zugriff durch die Sowjets
zu entziehen.
Nach der Übernahme des Gebietes durch die Sowjetunion führten diese ihrerseits
am 17. Juli und zwischen 2. und 6. August Inspektionen durch. Anschließend
begann die Demontage aller vorhandenen Maschinen und Einrichtungen als
Reparationsleistungen, mit anschließendem Abtransport Richtung UdSSR.
Die nun vorgesehene Sprengung von Bauten der Munitionsanstalt verzögerte
sich bis zum Beginn der 1950er Jahre. Vermutlich hing das mit einer erneuten
Förderung aus dem Bergwerk zusammen. Zwischen 1946 und 1951 ist im Schacht
„Marie“ wieder Kalisalz gewonnen worden. Danach führte man Sprengungen
von diversen Lagergebäuden durch. Nur die Bauten im unmittelbaren Umfeld
des Schachtes blieben stehen, um diesen nicht zu gefährden. Im Bereich
der obertägigen Munitionsbunker waren am Ende noch zwei Munitionshäuser
intakt.
Eine skurril erscheinende Nutzung des Schachtes „Marie“ begann
1959. Es wurde in 360 m Tiefe eine Hähnchenmast eingerichtet. Den Planern
erschien es günstig, daß in den Stollen über das ganze Jahr eine gleichbleibende
Temperatur von 20° C herrschte. Außerdem fehlten andernorts geeignete
Räumlichkeiten, und der Schacht „Marie“ mußte für die Bewetterung des
Schachtes „Bartensleben“ ohnehin in Betrieb bleiben. Man nutzte 38 ehemalige
Munitionskammern für die Mästung der Tiere. Anfang 1984 endete diese
Phase, da sich der zusätzlich für den Einsatz unter Tage erforderliche
Aufwand inzwischen nicht mehr rechnete.
In den oberirdischen Bauten richtete man ab 1965 einen Schlachthof für
die Hähnchen ein. Dieser übernahm ab 1984 die Schlachtung von Tieren
anderer Zulieferer, und konnte noch bis Ende 1990 weiter arbeiten.
Nach Auszug der Hähnchenmast stand in den Stollen die nächste
Nutzung an. Anscheinend wurden bereits in den 1980er Jahren in den zwei
erhaltenen Munitionsbunkern der früheren Muna Beendorf giftige Industrieabfälle
deponiert. Ab 1987 begann in größerem Umfang die Einlagerung von cyanidhaltigen
Härtereisalzen in den Stollen von Schacht „Marie“. Am Ende befanden sich
hier 20.000 Fässer mit hochgiftigem Inhalt. Bis Dezember 1996 erfolgte
deren Auslagerung.
Im Schacht „Bartensleben“ hat man nach dem Krieg wieder die
Steinsalzförderung aufgenommen. Bis 1969 ist es als „Sonnensalz aus Bartensleben“
vertrieben worden. Im Jahre 1970 wählte die Regierung der DDR die Schachtanlage
als zukünftiges Endlager für radioaktive Abfälle aus. Es sollten dort
schwach- und mittelradioaktive Abfälle deponiert werden. In den 1970er
Jahren erfolgte zunächst der Umbau der Anlagen für diesen Zweck, anschließend
ein Probebetrieb. 1981 folgte die erste Betriebsgenehmigung. Und 1986
hat man die Genehmigung für einen Dauerbetrieb erteilt, zunächst bis
zum Jahr 2000 gültig.
Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das Bundesamt für Strahlenschutz
für das Lager zuständig. Zwischen 1994 und 1998 erfolgten erneute Einlagerungen
radioaktiver Abfälle. 2001 verzichtete das Amt unwiderruflich auf weitere
Deponierungen. Seit 2003 geht es um die Stabilisierung der Stollen und
um Konzepte, die untertägigen Anlagen mit dem dort verbleibenden Atommüll
endgültig zu versiegeln.
Eine Teilfläche der früheren Muna in Beendorf fand ab 1961
eine neue militärische Verwendung. Ab Oktober des Jahres war eine Einheit
der Grenztruppen der DDR hier stationiert. Zunächst handelte es sich
um die 3. Grenzkompanie, ab 1971 die 13. Grenzkompanie. Von 1978 bis
zum 31. Oktober 1981 diente die Liegenschaft nur noch als Reserveobjekt
mit gelegentlicher Belegung.
Um an die in Beendorf während des II. Weltkrieges einquartierten
KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter sowie Kriegsgefangenen und ihre Leiden zu
erinnern, hatte der örtliche Schuldirektor 1971 in seiner Schule einen
Ausstellungsraum eingerichtet. Da Beendorf in der Sperrzone der innerdeutschen
Grenze lag, gab es von Seiten der DDR-Regierung kein Interesse, hier
eine offizielle Gedenkstätte aufzubauen. 1958 wurde in der Ortsmitte
ein Gedenkstein aufgestellt. Dieser trägt eine DDR-typische Inschrift,
in der die Mehrzahl der Opfergruppen nicht berücksichtigt wird.
Zustand:
Am Schacht „Marie“ stehen noch mehrere historische Bauten. Auf dem angrenzenden
Gelände der Fabrik Burbach sind nur noch zwei alte Hallen vorhanden.
Im Fertigungsgebiet hat man die beiden Munitionsarbeitshäuser mit einem
größeren Zwischenbau verbunden, der Komplex dient heute als Pflegeheim.
Im Bereich der obertägigen Munitionsbunker blieben zwei Munitionshäuser
erhalten, der Rest wurde gesprengt. Der Schacht „Bartensleben“ weist
heute keine historischen Spuren auf.
Zugang:
Die Schächte „Marie“
und „Bartensleben“ sind als Bestandteile des Atommüll-Endlagers Morsleben
weiterhin nicht zugänglich. Die übrigen Objekte können dagegen frei begangen werden, ausgenommen natürlich
die Privatgrundstücke.
Hinweis:
Diese Seite informiert über die beiden Schächte und zeigt einige Fotos
des Untertagebereichs:
https://www.lars-baumgarten.de/die-reviere-und-ihre-sch%C3%A4chte/6-nordharz/6-10-bartensleben-marie/
Weitere Bilder aus den Stollen auf den Seiten der Bundesgesellschaft
für Endlagerung:
https://archiv.bge.de/archiv/www.endlager-morsleben.de/Morsleben/DE/mediathek/bildergalerie/geschichte/geschichte_node.html
Der örtliche Arbeitskreis KZ-Gedenkstätte Beendorf:
https://beendorf.com/ak-kz-gedenkstaette/
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Blick
aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Fotos:
Die frühere Zufahrt zur Luft-Munitionsanstalt 6/VI Beendorf.
Links vom Tor das Wachgebäude.
Am Nordrand das ehemalige Tor vom Dorf zum Bergwerk.
Das Verwaltungsgebäude der Gewerkschaft Burbach, von der Muna als Kommandantur
genutzt.
Daneben zwei Wirtschaftsgebäude.
Schacht „Marie“, die Schachthalle ist von 1897 der Förderturm von 1944.
Maschinenhaus, gebaut 1944.
Hinter dem Maschinenhaus weitere historische Bauten.
Die alte Werkstatt.
Blick auf den Schacht aus Richtung Süden.
Nur zwei historische Lagerhäuser stehen noch, hier Nr. 2.
Hier ist die zweigeschossige Bauweise erkennbar.
Das alte Lagerhaus Nr. 15.
Blick von der Seite.
Am Südrand des Werksgeländes das ehemalige Eisenbahntor Richtung Fertigungsgebiet.
Auf der anderen Straßenseite das Eisenbahntor des F-Gebietes.
Die zwei historischen Arbeitshäuser blieben erhalten.
Beide wurden später mit dem höheren Zwischenbau verbunden.
Das zweite Arbeitshaus.
Daneben ein alter Schuppen.
Ein langes Erdungsband auf der Freifläche könnte auf eine provisorische
Lagerung hindeuten.
Das erste Munitionshaus 30 t, dieses ist intakt.
Die Mauer neben dem MH stützt die Böschung.
Blick in das Innere.
Das zweite erhaltene MH 30 t.
Der linke Zugang.
Der rechte Zugang.
Die rund 250 m² messende Lagerfläche.
In der Ecke eine Öffnung für die Belüftung.
Außen der gemauerte Belüftungsschacht.
Das dritte MH 30 t ist gesprengt worden.
Blick durch den früheren Zugang.
Das vierte MH, ebenfalls gesprengt.
Nur über dem Eingang blieb ein Teil der Decke erhalten.
Fünftes Munitionshaus.
Einer der zwei Zugänge aus der Nähe.
Das sechste Munitionshaus ist am weitgehendsten zerstört worden. Man
findet nur Fragmente.
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