Bis
1945:
Von den bremischen U-Boot-Bunkern ist der „Valentin“ spätestens
seit seiner Umwandlung zur Gedenkstätte weithin bekannt. Der Bunker „Hornisse“ steht dagegen deutlich im Schatten, wobei er grundsätzlich problemlos aufzusuchen
ist. Bislang nahezu völlig unbekannt ist aber der Bunker „Werner“. Luftbildern
nach zu urteilen, wurde sein Bau immerhin begonnen. Heute sind allerdings
keine Spuren mehr zu finden.
Der Tarnname „Werner“ reiht sich ein ins Schema, für U-Boot-Bunker im Umfeld
von Werften männliche Vornamen zu verwenden. Außerhalb Bremens gab es die
Bunker, bzw. Projekte „Kilian“, „Konrad“ und „Kaspar“ in Kiel, „Wenzel“
in Wedel bei Hamburg und „Bruno“ im norwegischen Bergen. Der erste Buchstabe
ist dem Standort entnommen. „Werner“ wird für „A.G. Weser“ stehen.
Bremen
war früher ein bedeutender Standort der Werftindustrie. Im Hafengebiet,
auf Höhe des Stadtteils Gröpelingen, lag seit 1872 der Betrieb Aktien-Gesellschaft
Weser, kurz „A.G. Weser“. Die Großwerft ist bereits während des I. Weltkrieges
im Bau von Unterseebooten tätig gewesen.
Auch die Kriegsmarine des III. Reichs wollte die Erfahrungen der Werft
wieder nutzen. 1938 begann hier der Serienbau des neuentwickelten U-Boots
vom Typ IX. Dieses mit großer Reichweite für den Einsatz im Atlantik
ausgelegte Modell, ist in den folgenden Jahren in höherer Stückzahl in
Bremen gefertigt worden. Anfangs lief die U-Boot-Produktion eher verhalten
und unter Geheimhaltung. Vorrangig kümmerte man sich noch um den Bau
von Kampfschiffen.
Zum Bau größter Kriegsschiffe wurde 1938 westlich an das Werftgelände
angrenzend, auf der „Kap Horn“ genannten Landzunge, ein rund 360 m langes
Baudock begonnen. Die Planungen für die gewaltigen Schlachtschiffe der
H-Klasse sind schon gleich nach Beginn des II. Weltkrieges aufgegeben
worden. Am Baudock hat man jedoch bis 1943 noch weiter gearbeitet. Später
sollte der Komplex eine ganz neue Bedeutung für die U-Boot-Fertigung
bekommen.
Im Verlauf des II. Weltkrieges kam natürlich auch die Werft
„A.G. Weser“ in das Visier der Alliierten. Erste Bombenabwürfe trafen
das Gelände bereits am 9. September 1940. In den späteren Jahren des
Krieges setzten die Briten und die USA schließlich die Zerstörung der
U-Bootswerften auf die erste Position ihrer Liste mit Angriffszielen.
Die deutsche Luftabwehr konnte in der Phase keinen Angriff mehr vereiteln.
In dem Zusammenhang ist die Seite Flak-Schutz im Großraum Bremen interessant.
Um den Herstellungsbetrieb trotz der Bombenangriffe aufrecht zu erhalten,
betrieb die Kriegsmarine ab 1942 Planungen, den Werften große U-Boot-Bunker
zur Verfügung zu stellen. Hier sollte zumindest die Endausrüstung schwimmfähiger
Neubauten durchgeführt werden können. Es war angestrebt, diese direkt
auf oder neben den vorhandenen Werftgeländen anzusiedeln. Daraus startete
für die „A.G. Weser“ das Projekt „Weser I“, später als „Werner“ bezeichnet.
Die Quellenlage für den U-Boot-Bunker „Werner“ ist sehr schwach.
Es existieren ein Übersichtsplan und einzelne Erwähnungen des Vorhabens
in Akten der Behörden. Dazu zeigen Luftbilder von 1944 und 1945 eine
auffällige Baugrube am Rand des Hafens F. Die Fläche liegt nördlich benachbart
zu Hellingen, die die „A.G. Weser“ auch im Industriehafen hatte. Der
Plan, im gleichen Maßstab über das Luftbild gelegt, paßt mit seinen Naßliegeplätzen
genau in die Baugrube. Der „Vorläufige Übersichtsplan“ trägt das Datum
19. Juni 1943. Er wurde vom Planungsamt der Kriegsmarine-Oberbauleitung
Unterweser erstellt.
Der Bunker wies eine Standardauslegung auf, die auch bei anderen Objekten
zu finden ist. An der Wasserseite befindet sich der Bereich mit den Naßliegeplätzen.
Auf der entgegengesetzten Seite ist der Werkstättenbereich angesiedelt.
Zwischen diesen Teilen verlaufen Eisenbahngleise. Hier konnte Material
angeliefert und umgeschlagen werden.
Es war keine Möglichkeit vorgesehen, die Naßliegeplätze abzuschotten,
um sie als Trockendock zu nutzen. Demensprechend konnten nur schwimmfähige
U-Boote hier untergebracht werden. Die Endausrüstung von Neubauten oder
Werft-überholten Booten wäre so machbar gewesen. Eine Taktfertigung kompletter
U-Boote - wie in der Bunkerwerft
„Valentin“ - hätte man hier nicht durchführen können. Ebenso bestand keine Möglichkeit,
U-Boot-Sektionen herzustellen.
Der Bunker „Werner“ sollte in der ersten Ausbaustufe eine
Länge von 204,5 m haben, zuzüglich 5 m Dachüberstand an der Wasserseite.
Die Breite war auf 109 m festgelegt, zuzüglich 11 m für einen Vorbau
an der südlichen Eisenbahneinfahrt. Als Höhe ist 21,75 m über Boden angegeben.
Diese Maße basieren auf der Wand- und Deckenstärke von 4,5 m. Eine Verstärkung
von Wänden und Decke in einer zweiten Ausbaustufe um jeweils 2,5 m ist
vorgesehen gewesen.
Die vier Naßboxen sollten je 110 m Länge und 17,5 m Breite aufweisen.
Darin hätten acht Boote der seinerzeit gängigen Typen Platz gefunden.
Der Werkstättenbereich dehnte sich über 70x76,5 m aus. Mit eingezogenen
Geschoßdecken hat man hier vier Ebenen eingeplant, erreichbar über vier
Treppenhäuser, die je zwei Fahrstühle einschlossen. Auf der Umschlag-Trasse
wollte man zwei Eisenbahngleise verlegen, die eine Durchfahrt durch das
Gebäude ermöglicht hätten.
Die Tiefe in den Naßboxen reichte zur im Umfeld vorhandenen Hafensole
herab, das bedeutete 6,75 m bei niedrigem Wasserstand und 8,75 m bei
hohem Wasserstand. Der gesamte Industriehafen war durch die Schleuse
Oslebshausen von den Gezeiten abgetrennt.
Über den Zeitpunkt des Baubeginns liegen keine Angaben vor.
Man findet aber im Staatsarchiv ein bereits im Januar 1943 verfaßtes
Schreiben der Marinebaudirektion Hamburg an die „Bremer Karantäne GmbH“,
die auf dem fraglichen Gelände den Seegrenzschlachthof betrieb. Mitgeteilt
wird: „[...] benötigt die Kriegsmarine für ein ganz dringendes Bauvorhaben das gesamte
Gelände zwischen den oben genannten Häfen [A und F] [...]“. Und es wird sogleich verlangt: „[...] infolgedessen müssen die Abbrucharbeiten in etwa 10 Tagen einsetzen.“. Anscheinend konnte dieses Vorhaben eher zügig umgesetzt werden.
Größere Probleme gab es auf dem benachbarten Grundstück. Am Kopf des
Hafen F befand sich seinerzeit ein Betrieb der „Vereinigten Sauerstoffwerke“,
welcher für die Kriegsmarine produzierte. Grundsätzlich war es für das
Werk vorteilhaft, aus dem gefährdeten Hafengebiet abzuziehen. Ein Ersatzobjekt
mußte aber komplett neu aufgebaut werden. Daher gab es Widerstand vom
Mutterkonzern I.G. Farben hinsichtlich der Kosten. Diese wurden schließlich
vom Staat übernommen. In Bremen-Huchting begannen noch 1943 die Arbeiten
zur Errichtung eines neuen Sauerstoffwerks. Es konnte bis zum Kriegsende
jedoch nicht mehr vollendet werden.
Luftbilder, die ab 1944 vorliegen, zeigen eine Baugrube auf
der Fläche zwischen den Häfen A und F. Die erkennbaren Erdarbeiten decken
sich mit den Abmessungen des Bereichs der Naßboxen. Dabei hat man zunächst
die Streifen abgegraben, in die später die Senkkästen eingebracht worden
wären. Diese bildeten das Fundament für die Außen- und Zwischenwände.
Dafür hätte 10 m tief unterhalb des niederen Wasserstandes des Industriehafens
gegraben werden müssen.
Mit dem Bau der Senkkästen für den „Werner“ ist bereits begonnen worden.
Sie wurden auf dem Grund des unvollendeten Baudocks gegossen. Nach Flutung
dieses Objektes hätte man sie auf dem Wasserweg zum „Werner“ transportiert
und dort abgesenkt. Die Kästen mit Abmessungen von 9,5 m Breite und 14,25
m Höhe fanden schließlich im Nachfolgeprojekt Verwendung. Auch die Fertigung
der Dachträger ist vorbereitet worden. An der Westseite des Kalihafens
entstand eine entsprechende Produktionsstraße.
Für die Arbeiten am Bunker „Werner“ zog man sicherlich vor allem Fremd-
und Zwangsarbeiter heran. Mehrere Arbeitslager existierten im Umfeld
der „A.G. Weser“.
Im U-Boot-Bunker-Programm bekam der „Valentin“ absolute Priorität
bei der Zuteilung von Baumaterial und Arbeitskräften. Daher konnten die
Arbeiten am „Werner“ nur langsam voranschreiten. Schließlich ist Mitte
1944 das Vorhaben komplett gestoppt worden.
Statt dessen versprach man sich vom Ausweichen in ein anderes Objekt
eine schnellere Möglichkeit, den U-Boot-Bunker für die „A.G. Weser“ zu
realisieren. Außerdem hatte sich die Konzeption inzwischen verändert.
Nun waren geschützte Plätze für die Herstellung von U-Boot-Sektionen
erforderlich. Das oben erwähnte große Baudock wurde nicht mehr für seinen
ursprünglichen Zweck benötigt, die Bauarbeiten daran lagen brach. Die
Befestigung von Untergrund und Seitenwänden war zu dem Zeitpunkt fast
fertig. So hat man im Frühjahr 1944 beschlossen, das Dock entsprechend
um- und auszubauen. Damit begann das Bauvorhaben U-Boot-Bunker
„Hornisse“.
Für die Werft endete der II. Weltkrieg am 27. April 1945 mit
der Besetzung durch britische Verbände. Am Ende gab es hier von den U-Boot-Bunker-Projekten
nur die Baugrube des „Werner“ und den unvollendeten „Hornisse“.
Ab 1945:
Kurz nach Ende des Krieges begannen im gesamten Hafengebiet der Stadt
Bremen Aufräumarbeiten, massiv unterstützt durch das US-Militär. Insbesondere
zur Durchführung des Marshallplans ab 1948, war eine leistungsfähige
Infrastruktur westdeutscher Häfen erforderlich, über die Güter aus
den USA eingeführt werden konnten. Zahlreiche Schäden infolge der Bombardierungen
mußten repariert werden. Brachliegende Flächen sollten neue Verwendungen
finden.
So ergaben sich nun auch schnell für das Gelände des U-Boot-Bunkers „Werner“
neue Perspektiven. Es bestand lediglich aus einer Baugrube; eine Demilitarisierung
war dementsprechend nicht erforderlich. Die Umwandlung zu einem Areal
für gewerbliche Nutzung stand an.
Bereits ein Luftbild von 1951 zeigt erste Baumaßnahmen. Die Baugrube
wurde zugeschüttet, darauf konnten sich Betriebe ansiedeln. Innerhalb
weniger Jahre verschwanden somit sämtliche Spuren des Bauvorhabens. Schon
auf einem Luftbild von 1961 ist nichts mehr erkennbar. Das Bild zeigt,
daß die meisten heute vorhandenen Bauten bereits zu der Zeit entstanden
sind.
Das heute am Ende des Hafens A vorhandene Wendebecken hat seinen Ursprung
sehr wahrscheinlich auch im Bauvorhaben „Werner“. Vor dessen Start befanden
sich dort auf einer Landfläche der Seegrenzschlachthof und ein städtischer
Lagerplatz. Die gerade Linie der heutigen Uferbefestigung entspricht
der Wasserseite des U-Boot-Bunkers.
Zustand:
Durch die Umwandlung zur Gewerbefläche blieben keine Spuren des Bauvorhabens
erhalten.
Zugang:
Die Betriebsgrundstücke
auf dem Gelände des U-Boot-Bunkers sind nicht zugänglich. Man findet aber ohnehin keine Überbleibsel. |
Blick
aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Fotos:
Wäre es zur Umsetzung nach dem existierenden Plan an dieser Stelle gekommen,
stände man hier vor der Südwand des U-Boot-Bunkers „Werner“.
Ein Blick von der entgegengesetzten Seite, hier hätte die nördliche Wand
gestanden.
Dieser Foto-Standort wäre bereits im Inneren des Bunkers gewesen.
Heute durchquert die Louis-Krages-Straße das Areal.
Das ehemalige Baugelände von der Wasserseite. Der Bunker „Werner“ hätte
fast die gesamte Breite dieses Bildes eingenommen.
Ein etwas näherer Blick, linke Hälfte.
Und die rechte Hälfte.
Das Gelände wurde für die industrielle Nutzung am Hafenbecken mit Beton
befestigt.
Nur in der Nachbarschaft sind historische Spuren zu finden, Teile des
ehemaligen Sauerstoffwerks.
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