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Rubrik: Munitionsdepots / Versorgungsdepots Translation: English French Spanish Italian Dutch Danish Polish Russian
Sondermunitionslager und Standortmunitionsniederlage 254/1 Diensthop
 Relikte des Kalten Krieges: 
Die Thematik der Bereitstellung von Atomwaffen für die Bundeswehr und weitere NATO-Partner durch die USA wird auf dieser Seite betrachtet: Atomwaffenlager für das Heer in Niedersachsen. Wichtige Aspekte über Divisions-Sondermunitionslager sind auch auf der Seite über Dünsen zu finden.

Für jede Division der Bundeswehr wurde Anfang der 1960er Jahre ein Raketenartilleriebataillon aufgestellt. So auch am 1. April 1961 für die 3. Panzerdivision: das RakArtBtl 32. Dem Verband ist als Heimatstandort die Garnison Dörverden zugewiesen worden. Die Waffen-Ausstattung bestand Anfangs aus dem schweren Artillerieraketensystem Honest John, welches im Verteidigungsfall ausschließlich für den Verschuß atomarer Sprengköpfe eingeplant war.
In der Nähe der Dörverdener Niedersachsen-Kaserne sollte ein Sondermunitionslager aufgebaut werden, um die nuklearen Waffen deponieren zu können. Kurzfristig war es jedoch nicht möglich, ein entsprechendes Lager einzurichten. Daher mußte man auf eine entferntere Liegenschaft ausweichen. Passendes war 25 km weiter östlich zu finden.

Standort für das erste Sondermunitionslager der 3. Panzerdivision wurde die frühere Heeresmunitionsanstalt Walsrode. Sie lag rund 3 km südlich der namensgebenden Stadt, bei der Siedlung Beetenbrück. Das Objekt ist zuvor bereits vom Territorialheer zum Munitionsdepot Walsrode (MunDp WAL) ausgebaut worden. Innerhalb der weitläufigen Liegenschaft konnte ein entsprechend geschützter Bereich für die Atomwaffen abgeteilt werden. Im Verwaltungsbereich der Muna standen mehrere Unterkunftsgebäude, die als Kaserne geeignet waren.

Die Einheiten:
Die Bundeswehr brachte in Walsrode-Beetenbrück die 5. Batterie des RakArtBtl 32 unter. In der Einheit, als Begleitbatterie bezeichnet, dienten Soldaten mit den Aufgaben Bewachung der Munition und Transport der Waffensysteme. Außerdem wurde dort das 25th US Army Field Artillery Detachment untergebracht. Deren Soldaten verfügten über die Schlüssel- und Code-Hoheit der nuklearen Sprengköpfe. Ohne deren Mitwirken hätten die Waffen - nach Freigabe durch die US-Regierung - nicht genutzt werden können.

Nachdem bei Diensthop ein neues Sondermunitionslager gebaut worden ist, konnte im Dezember 1971 die Verlegung der Einheiten von Beetenbrück nach Dörverden erfolgen.
Die 5./RakArtBtl 32 und das 25th USAFAD bekamen Unterkünfte innerhalb der Niedersachsen-Kaserne. Für die US-Soldaten ist ein separat eingezäunter Bereich geschaffen worden. Darin standen ein Funktions- und Unterkunftsgebäude, sowie der für alle Detachments typische Stahlgitter-Funkturm. Über den Turm erfolgte die Einbindung des Standortes ins European Command Control Console System (ECCCS) und das Cemetery Net. Die Netze dienten ausschließlich zur Kommunikation der Atomwaffen-Objekte und der zuständigen Führungsebenen der NATO.

Größere Veränderungen ergaben sich am 1. Juli 1980, als das System Honest John ausgemustert wurde. Die Begleitbatterie wurde in 4./RakArtBtl 32 umbenannt. Das Raketenartilleriebataillon verfügte nun aber über keine Waffensysteme mehr, die atomare Sprengköpfe verschießen konnten. Konsequenterweise sind mit Einnahme der Artilleriestruktur 85 am 1. Oktober 1987 die Begleiter aus dem Bataillon ausgegliedert worden. Sie bildeten nun die eigenständige Begleitbatterie 3, die unmittelbar dem Artillerieregiment 3, Stade unterstellt war.

Das Sondermunitionslager:
Das Objekt lag rund 1,5 km nordöstlich des Dorfes Diensthop, gut 4 km östlich der Niedersachsen-Kaserne, Dörverden-Barme. In der gut 16 ha umfassenden Liegenschaft entstanden drei unterschiedliche Munitionslager, aufgeteilt auf zwei getrennte Bereiche. Dabei handelte es sich um eine Standortmunitionsniederlage Typ C/D, eine StOMunNdlg Typ K und eine Munitionsniederlage Typ J. Die ersten beiden wurden zusammen unter der Bezeichnung Standortmunitionsniederlage 254/1 geführt. Drittes Depot war das Sondermunitionslager, NATO-Bezeichnung Special Ammunition Site (SAS). Ende 1971 konnte die neu errichtete Liegenschaft in Betrieb genommen werden.

Während die anderen Sondermunitionslager in Niedersachsen stets abgeschirmt innerhalb größerer militärischer Sicherheitsbereiche lagen, hatte dieses Objekt eine exponierte Lage. Landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Nutzflächen sowie Feldwege reichten bis unmittelbar an den Atomwaffen-Bereich heran.

Entsprechend der Gefährlichkeit der Atomwaffen, aber auch deren eigener Gefährdung, hatte man einen besonderen Aufwand zur Sicherung der Munition betrieben. Das Lager wurde mit doppeltem Zaun abgegrenzt. Zwischen den Zäunen standen in den vier Ecken Wachtürme, zunächst in einfacher Holzbauweise. Nach Außen blendende Scheinwerfer erhellten nachts das gesamte Areal. Die Vegetation wurde kurz gehalten. Somit war eine permanente lückenlose Überwachung möglich. Für den Zugang zum Lager stand nur ein Tor zur Verfügung, das mit einer Schleuse ausgestattet war.
Neben der Einfahrt befand sich ein Wachgebäude, in dem die US-Soldaten saßen. Außerdem standen in der Anlage ein Energiegebäude für Heizung und Transformatoren, sowie ein Generatorgebäude. Für Wartungsarbeiten an den Atomwaffen gab es ein weiteres Bauwerk, NATO-Bezeichnung Maintenance and Assembly (M&A) Building. Feuerlöschteich und Hydranten waren ebenfalls vorhanden. In der westlichen Hälfte der SAS befanden sich die zwei erdüberdeckten Munitionslagerhäuser mit 150 m² Nutzfläche. Vor der SAS stand das Alarmgebäude, in dem die Bundeswehr-Soldaten sich aufhielten.

Im Laufe der Nutzungszeit hat man mehrere Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit durchgeführt. Die Umfangreichste war das Ende der 1970er Jahre begonnene Long Range Security Program (LRSP). Dabei ist am Tor ein neues Wachgebäude in massiver Betonbauweise errichtet worden, NATO-Bezeichnung Site Security Control Center (SSCC). Hier konnten nun deutsches und US-Militär gemeinsam untergebracht werden. Im Inneren blieb es jedoch bei einer Trennung. An das Gebäude schloß ein Wachturm in ebenfalls massiver Bauweise an. Das SSCC war klimatisiert und mit einer Schutzbelüftungsanlage ausgestattet. An der Vorderseite des Bauwerks gab es eine Personenschleuse mit Vereinzelungsanlage, für den Einlaß in den inneren Bereich des Munitionslagers.
Durch den neuen Bau wurde das bisherige Alarmgebäude vor dem Tor nicht mehr für seinen ursprünglichen Zweck benötigt. Es konnte fortan als Sozialgebäude, und zur Unterbringung der zivilen Diensthundeführer genutzt werden.

Als Erweiterung des LRSP wurde das Programm Weapons Access Denial System (WADS) durchgeführt. Es war hauptsächlich eine Reaktion auf die Gefährdung der Atomwaffenlager durch Terrorismus. Die Munitionslagerhäuser erhielten käfigartige Vorbauten aus Stahl. Innerhalb der Bunker wurde ein zweites Stahltor eingebaut. Die Tore bekamen spezielle Verriegelungen. Vor und über den Atomwaffen brachte man Stacheldraht-Bewehrungen an, die auf die Einlagerung abgesenkt werden konnten. Die Munition ist in Käfigen mit spezieller Verzurrung untergebracht worden. Ergänzend wurden Lautsprecher zur Abschreckung durch Lärm sowie Nebelerzeuger aufgestellt.

Neben den Sprengköpfen für Honest John ist im Laufe der 1960er Jahre auch atomare Munition für Rohrartillerie in Diensthop eingelagert worden. Für Artilleriegeschütze der Kaliber 155 mm und 203 mm gab es entsprechende Granaten. Die grundlegendste Änderung ergab sich 1980 mit der Ausmusterung der Honest John. Danach waren nur noch die Geschoße für die Rohrartillerie der 3. Panzerdivision deponiert.

Während die erste Hälfte der 1980er Jahre in Bezug auf den Kalten Krieg noch sehr hitzig verlief, setzte in der zweiten Hälfte eine deutliche Entspannung ein. Nun wurden die Montebello-Beschlüsse der Nuklearen Planungsgruppe von 1983 umgesetzt. Danach sollten die Atomwaffen-Bestände in Westeuropa bis 1988 um 1.400 Sprengköpfe reduziert werden. Als Folge hat man in Diensthop bereits im September 1988 die atomaren Sprengköpfe abgezogen - mehr als ein Jahr vor dem Fall der innerdeutschen Mauer. Das Sondermunitionslager konnte nun endgültig deaktiviert werden.

Die Standortmunitionsniederlage:
Wie oben erwähnt, bestand die Standortmunitionsniederlage 254/1 bei ihrer Inbetriebnahme aus zwei Bereichen. Den größeren Teil nahm die StOMunNdlg Typ C/D ein. Hier standen sechs Munitionslagerhäuser mit 25 m² Nutzfläche und zwölf MLH mit 50 m² Nutzfläche. Hauptnutzer waren die Einheiten der Garnison Dörverden. Den Schwerpunkt des Standortes bildete die Pioniertruppe. Das Korps-Pionierbataillon 120, das Divisions-Pionierbataillon 11 und die Brigade-Panzerpionierkompanie 320 waren dort stationiert. Dementsprechend wurden neben Munition auch pioniertypische Mittel wie Minen und Sprengstoff gelagert.

In einem kleineren Bereich am Südrand des Lagers war die StOMunNdlg Typ K eingerichtet. Umgangssprachlich nannten die Soldaten oft die gesamte Standortmunitionsniederlage K-Lager, und interpretierten K als Abkürzung für Konventionell. Tatsächlich ist mit den Buchstaben A bis K lediglich die Auslegung einer StOMunNdlg angegeben worden.
Das K-Lager bestand aus fünf Munitionslagerhäusern mit 25 m² Nutzfläche und drei großen MLH mit 180 m² Nutzfläche. Diese standen für das RakArtBtl 32 zur Verfügung. In den drei großen Bunkern wurden die Raketentriebwerke der Honest John gelagert. In den kleineren waren weitere Explosivstoffe deponiert, u.a. Munition für die 20 mm Feldkanonen der Begleitbatterie. Für Wartung und Montagearbeiten an den Raketentriebwerken gab es ein entsprechendes Wartungsgebäude. Der Bau hatte an beiden Stirnseiten große Tore, so daß LKW durchfahren konnten. Diese Form war in allen StOMunNdlg Typ K aufzufinden.

Mit Ausmusterung der Honest John im Jahr 1980 entfiel die Einlagerung der Raketenmotoren. Die Lagerfläche konnte aber gleich für andere Zwecke genutzt werden. Das RakArtBtl 32 verfügte schließlich über den Mehrfachraketenwerfer 110 SF, dessen Munition auch zu deponieren war.
Die ursprünglichen Planungen für Standortmunitionsniederlagen konnten ohnehin nie dem sich immer wieder ändernden Bedarf der Truppe folgen. Durch die Einführung neuer Waffensysteme und Verlegungen von Verbänden paßte die Auslegung oft nicht mehr. Lagerraum für Munition war meist Mangelware.

Nach Ende des Kalten Krieges wurde eine Bevorratung von Munition in der Nähe der einsetzenden Verbände aufgegeben. Anfang der 1990er Jahre konnte daher auch die StOMunNdlg 254/1 geschlossen werden. Der Komplex befand sich für viele Jahre nicht mehr in militärischer Nutzung. Zwischenzeitlich hatten landwirtschaftliche Betriebe Munitionsbunker als Lagerraum angemietet.
Lange Zeit blieb die Substanz weitgehend komplett erhalten. Durch Vandalismus entstanden allerdings immer mehr Schäden. Im Jahr 2012 erfolgte der Abriß fast aller Bauten. Das Gelände wurde als Ausgleichsfläche für örtliche Bauvorhaben renaturiert.

 Zustand: 
Auf dem Gelände ist heute nur noch die Ruine des SSCC erhalten. Alle anderen Bauwerke hat man geschleift. Die Munitionslagerhäuser wurden eingerissen, deren Erdhügel blieben stehen. Immerhin kann die Auslegung der Anlage so noch in Teilen nachvollzogen werden.

 Zugang: 
Die Liegenschaft wird heute zum Teil von einem Angler-Verein genutzt. Das Gelände kann betreten werden.

 Hinweis: 
Der Traditionskreis des Raketenartilleriebataillons 32 ist im Internet zu finden:
http://www.traditionskreis-32.de

Blick aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Google Maps

Fotos:
Sondermunitionslager:

Zufahrt
Die Zufahrt zum SdMunLgr.

Sozialgebäude
Das alte Alarmgebäude, später als Sozialgebäude und für die zivile Wache genutzt.

Hundezwinger
Daneben Zwinger für die Diensthunde.

Schleuse
Die Schleuse zum inneren Bereich.

Schranke
Schranke und äußeres Tor.

Personen-Eingang
Am SSCC der Personen-Eingang.

Vereinzelungsanlage
Die massive Vereinzelungsanlage.

Einlaßkontrolle
Die vom USAFAD besetzte Einlaßkontrolle an der Vereinzelungsanlage.

Personen-Eingang
Hier ist die stark gesicherte Auslegung des Personen-Eingangs erkennbar.

Wachgebäude
Das Wachgebäude nach passieren der Schleuse.

Wachgebäude
Das SSCC mit Turm, hier noch weitgehend intakt.

Ruine
Heute nur noch eine Ruine.

Turm 1
Der große Turm 1 in Betonbauweise.

Aufgang
Aufgang zum Turm.

Innenansicht
Innenansicht.

Turm 2
Turm 2 wurde mit LRSP in Stahlbauweise errichtet.

Wachturm
Ein einfacher offener Wachturm aus Holz.

Wachturm
Der vierte Wachturm.

Scheinwerfer
Nach Außen blendende Scheinwerfer.

Engergiegebäude
Das Energiegebäude für Heizung und Transformator.

Wartungsgebäude
Das Wartungsgebäude, M&A-Building.

MLH
Die zwei MLH für Atomwaffen.

Erdhügel
Heute sind dort nur noch Erdhügel zu finden.

Vorbau
Mit WADS erhielten die MLH einen käfigartigen Vorbau.
Tor
Äußeres und inneres Tor.
Schutzkäfig
Der Schutzkäfig im Detail.
Torbereich
Der Torbereich von Innen.
Lagerbereich
Der Lagerraum, an der Decke Befestigungen für Stacheldraht.
Bilder von der aktiven Nutzung, freundlicherweise von T. Kyntschl zur Verfügung gestellt:
MLH
Die zwei MLH. Die Stangen auf dem Gelände dienten zum Schutz gegen feindliche Luftlandungen.
Wachturm
Blick in den Turm 2.
MG
Maschinengewehr auf einem Posten.
Barme
Die Unterkunft der Begleitbatterie in Barme, davor Fahrzeuge des Bereitschaftszuges.
Standortmunitionsniederlage:
Haupteinfahrt
Die Haupteinfahrt mit dem Wachgebäude.
MLH
Ein Lagerhaus für Raketenmotoren.
MLH
Später landwirtschaftlich genutzt.
Abgerissen
Und schließlich abgerissen.
Innen
Ein früherer Blick nach Innen.
MLH
Munitionslagerhaus mit 25 m² Nutzfläche.
Angaben
Angaben zur Einlagerung am Tor.
MLH
Eines von 12 MLH mit 50 m² Nutzfläche.
Erdhügel
Auch von den kleineren MLH blieben nur Erdhügel.
 
Kaserne:
Unterkunft
Die Unterkunft der Begleitbatterie 3 kurz vor dem Abriß der Niedersachsen-Kaserne.
USAFAD
Die Unterkunft des 25th USAFAD in Barme in früheren Zeiten.
Funkturm
Der typische Funkturm des USAFAD.

Karte
Maßstab

Quellenangabe:
- Exposé StOMunNdlg Diensthop
- Hammerich, Kollmer, Rink, Schlaffer: Das Heer 1950 bis 1970
- Robert P. Grathwol, Donita M. Moorhus: Building for Peace - U.S. Army Engineers in Europe 1945-1991
- Alfred Mechtersheimer, Peter Barth: Militarisierungsatlas
- Bundeswehr: Standort Dörverden-Barme - Tag der offenen Tür 24. Juni 1989
- https://www.usarmygermany.com
- J. Diercks
- T. Kyntschl
- Jörg
- „Alterfritz“
 
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