Aus
Darstellungsgründen werden auf dieser Seite an einigen Stellen militärische
Abkürzungen verwendet. Eine Erklärung erscheint, wenn man mit dem Mauszeiger
auf eine dieser Abkürzungen weist.
Relikte
des Kalten Krieges:
Nach Ende des II. Weltkrieges war das Bestreben der westlichen Regierungen
die Reduzierung des im Kriege enormen Umfanges der Streitkräfte. Für
die sich abzeichnende Konfrontation zwischen der Sowjetunion und den
westlichen Alliierten ist es allerdings weiterhin erforderlich gewesen,
militärische Stärke vorzuweisen.
Zunächst zielte die Strategie der USA darauf ab, einen Angriff der Sowjetunion
auf Westeuropa durch die Bombardierung der UdSSR mit Atomwaffen zu beantworten.
Hauptaufgabe der Bodentruppen in Westeuropa sollte die Verzögerung des
Verlustes von Operationsbasen der eigenen Luftstreitkräfte sein.
Als Folge der steten Weiterentwicklung von Raketen größerer Reichweite
ist auch der Auftrag der US Navy verändert worden. War zuvor deren Hauptaufgabe
die Sicherung der Nachschubwege zur See, diente sie nun dazu, Atomwaffen
in Einsatzreichweite an den Gegner heranzuführen. Die Bedeutung der Heerestruppen
sank dabei im gleichen Maße, wie die der anderen Teilstreitkräfte durch
deren atomare Bewaffnung stieg.
Die Erfahrungen aus dem Korea-Krieg Anfang der 1950er Jahre
brachten den Landstreitkräften eine Renaissance, ihre Bedeutsamkeit wurde
neu bewertet. In die anschließende Zeit fiel die Aufstellung der Bundeswehr,
die zur größten Armee in Mitteleuropa aufwuchs.
Ebenfalls in den 1950er Jahren erfolgte die Entwicklung von taktischen
Atomwaffen. Diese wiesen eine geringere Zerstörungskraft als die strategischen
Atomwaffen auf. Sie sollten künftig die Kampfkraft der Heerestruppen
deutlich erhöhen. Der NATO-Rat beschloß im Frühjahr 1958 die Ausrüstung
der Partner-Staaten mit taktischen Atomwaffen, die unter Kontrolle der
USA verbleiben sollten - dies war der Beginn der „Nuklearen Teilhabe“.
Die Nukleare Teilhabe:
Mit der Nuklearen Teilhabe wurden die Bedingungen für die Stationierung
von Atomwaffen und deren Einsatzmittel geregelt, in und für Länder
die über keine eigenen taktischen Atomwaffen verfügten. Zur Vereinbarung
und Steuerung von Einsatzkriterien, Einsatzmitteln und der Dislozierung
der Nuklearwaffen, wurde in der NATO die Nukleare Planungsgruppe (NPG)
eingerichtet. Darin waren anfangs die USA, Großbritannien, die Bundesrepublik
Deutschland und Italien ständige Mitglieder, weitere Staaten traten
im Rotationsverfahren hinzu. Ab 1979 sind alle NATO-Mitglieder gleichberechtigt
darin vertreten gewesen.
Entsprechend der geographischen Lage, wurde ein Großteil der
Atomwaffen Westeuropas in der Bundesrepublik stationiert. Aber auch in
den Nachbarländern Niederlande und Belgien gab es entsprechende Lager.
In diesen Objekten ist die Bewachung jeweils durch eine Partner-Nation
durchgeführt worden. Die im Ernstfall erforderliche Durchführung der
technischen Freigabe verblieb in der Hand des US-Militärs, welches dafür
stets eigenes Personal in den Stützpunkten einsetzte. Obwohl Großbritannien
über eigene Nuklearwaffen verfügt, war das Land in die gleiche Konzeption
eingebunden. Bei den taktischen Atomwaffen für die Bodentruppen griffen
die Briten auf die in der NATO standardisierten US-Systeme und Verfahren
zurück.
Letztendlich hat die Nukleare Teilhabe bedeutet, daß im Falle eines Krieges
von Verbänden der Bundeswehr, wie auch anderer NATO-Partner, Atomwaffen
nach Freigabe durch die Regierung der USA eingesetzt werden konnten.
Die für Atomwaffen eingeplanten Einheiten und Verbände wurden bereits
in Friedenszeiten für die Aufgabe entsprechend ausgebildet.
Eine grundlegende Komponente in der Nuklearen Teilhabe war
die Festlegung der entsprechenden Waffensysteme. Im Folgenden werden
die Einsatzmittel der Heeresverbände aufgeführt. Außerdem gab es verschiedene
taktische Atomwaffen für die Luftstreitkräfte, darüber berichtet die
Seite Atomwaffen für die Luftwaffe in Niedersachsen.
Die Waffensysteme:
Der größte Teil der für taktische Atomwaffen vorgesehenen Systeme war
in den Artillerieverbänden der NATO-Partner zu finden, unterteilt in
Raketenartillerie und Rohrartillerie. Die Reichweite der frühen Raketenartillerie
betrug unter 40 km, die Rohrartillerie schoß teilweise nur rund 16
km weit. Die Zahlen machen deutlich, daß diese Nuklearwaffen hauptsächlich
unser eigenes Land verwüstet hätten.
In strategischen Planspielen der NATO ist häufig schon in einer frühen
Phase der Kampfhandlungen auf taktische Atomwaffen zurückgegriffen worden.
Da damit die Schwelle zum Atomkrieg überschritten wurde, wäre es sehr
wahrscheinlich danach zu einem globalen Schlagabtausch gekommen, der
wohl das Ende der Menschheit bedeutet hätte!
Bei der Raketenartillerie der Bundeswehr begann 1959 die Einführung
des Systems Honest John. Das Heer stattete anfangs die Korpstruppen damit
aus. In Niedersachsen stationierte dafür das I. Korps in Nienburg-Langendamm das RakArtBtl 140. Doch bereits ab 1962 rüstete die Korpsartillerie auf das System Sergeant
um. Die Honest John wurde gleichzeitig an die Divisionsartillerie abgegeben.
Beginnend ab 1960 hat man für jede Division ein Raketenartilleriebataillon
aufgestellt. In der Folge ist entsprechend bei jedem dieser Verbände
ein Sondermunitionslager für die Atomsprengköpfe errichtet worden.
Auf Korpsebene löste von 1976 an das System Lance die veraltete Sergeant
ab. Bei den Divisionstruppen endete die Ausstattung mit nuklearfähiger
Raketenartillerie am Ende der 1970er Jahre. Danach gab es auf Divisionsebene
als Atomwaffenträger nur noch Rohrartillerie.
Bemerkenswert ist, daß alle Systeme der Raketenartillerie im Ernstfall
ausschließlich für den Verschuß atomarer Munition eingeplant waren.
Für die Rohrartillerie standen zunächst Atomgranaten im Kaliber
203 mm zur Verfügung. Anfang der 1970er Jahre kamen Granaten im Kaliber
155 mm dazu. Zum Verschießen der 203 mm-Munition konnten die Panzerhaubitze
M 55, sowie die gezogene Feldhaubitze M 115, und die Feldhaubitze auf
Selbstfahrlafette M 110 eingesetzt werden. In der Bundeswehr waren M
55 bei der Divisionsartillerie zu finden, M 115 und M 110 bei Divisions-
und Korpsartillerie. Mitte der 1960er Jahre führte man in der Brigadeartillerie
die Panzerhaubitze M 109 mit Kaliber 155 mm ein. Auch dieses System war
befähigt, Atomgranaten zu verschießen.
Während die Artilleriewaffen Ansammlungen des Gegners in dessen
Hinterland zerschlagen sollten, gab es weitere Atomwaffen, mit denen
man bei einem Rückzug wichtige Objekte für den Gegner unbrauchbar oder
unpassierbar machen wollte. Diese sind als Atomminen bezeichnet worden,
im NATO-Englisch Atomic Demolition Munition (ADM) genannt. Hauptsächlich
gab es zwei Größen der Minen: die Small Atomic Demolition Munition (SADM)
und die Medium Atomic Demolition Munition (MADM).
Die Minen wären in Sprengschächte eingelassen oder, nach gegebener Lage,
auf dem Boden stehend gezündet worden. Für den Einsatz waren Pioniere
zuständig. 1986 sind die Atomminen als Ergebnis der Abrüstungsverhandlungen
aus der Bundesrepublik abgezogen und zerstört worden.
Im Folgenden werden die verschiedenen Waffensysteme und dafür
verwendete Atomsprengköpfe aufgelistet:
Waffensystem |
Sprengkopf |
Sprengkraft
TNT-Äquivalent |
Raketenartillerie: |
Honest
John |
W-31 |
Version
Mod.0 Y1: 2.000 t
Version Mod.0 Y2: 40.000 t
Version Mod.3 Y3: 20.000 t |
Sergeant
(nur ) |
W-52 |
Version
Y1: 60.000 t
Version Y2: 200.000 t |
Corporal
(nur ) |
W-7 |
Version
Y2: 5.000 t
Version Y3: 10.000 t
Version Y4: 20.000 t
Version Y5: 40.000 t |
Lance |
W-70 |
Version Mod.0: 1.000 t
Version Mod.1: 10.000 t
Version Mod.2: 100.000 t
Version Mod.3: 750 t
Version Mod.4: 1.250 t |
Rohrartillerie: |
Haubitze
203 mm |
W-33 |
Version
Mod.0 Y1: 500 t
Version Mod.1 Y2: 40.000 t
Version Mod.1 Y3: 10.000 t
Version Mod.1 Y4: 5.000 t |
Haubitze
203 mm |
W-79 |
Version
Mod.0 Y1: 100 t
Version Mod.0 Y2: 700 t
Version Mod.0 Y3: 1.100 t
Version Mod.1: 800 t |
Haubitze 155 mm |
W-48 |
Version Mod.0: 72 t
Version Mod.1: 72 t |
Atomminen: |
SADM |
Mk-54 |
Version
Mod.1 Y1: 10 t
Version Mod.1 Y2: 20 t
Version Mod.1 Y3: 1.000 t |
MADM |
W-45 |
Version Y1: 1.000 t
Version Y2: 500 t
Version Y4: 8.000 t |
Zur Verdeutlichung der Sprengkraft der Systeme hier einige
Vergleichswerte:
- Die auf Hiroshima abgeworfene Atombombe hatte eine Sprengkraft
von 13.000 Tonnen.
- Die auf Nagasaki abgeworfene Atombombe hatte eine Sprengkraft
von 21.000 Tonnen.
- Die stärkste von den USA getestete strategische Atombombe
(Erprobung „Castle Bravo“) hatte eine Sprengkraft von 15.000.000 Tonnen.
- Die stärkste von der UdSSR getestete strategische Atombombe
(Projekt „Zar-Bombe“) hatte eine Sprengkraft von über 50.000.000 Tonnen.
Die Einheiten:
Die für den Einsatz von Atomwaffen eingeplanten Einheiten waren bei den
NATO-Partnern nicht nach dem gleichen Schema gegliedert und unterstellt.
Die Aufstellung unten listet die betreffenden Truppenteile auf. Bei
allen beteiligten Nationen gab es die Waffensysteme Raketen- und Rohrartillerie,
ebenso die Atomminen.
Für die Bewachung der Atomwaffen in den Sondermunitionslagern,
sowie bei Auslagerung der Munition, wurden infanteristische Kräfte eingesetzt.
Die Bundeswehr hatte in den Raketenartilleriebataillonen, und Nachschubbataillonen
(Sonderwaffen) Kompanien mit Sicherungssoldaten integriert. Auf Divisionsebene
sind diese Einheiten mit der Artilleriestruktur 85 als selbständige Begleitbatterien
ausgegliedert worden. Die Niederländer setzten an den einzelnen Standorten
Infanteriekompanien des Regiment Van Heutsz ein.
Im Umfeld der großen Versorgungslager Munition (VLM) lagen
besondere Nachschubverbände für den Transport der Atomwaffen. Die Bundeswehr
hatte in Werlte, nahe dem VLM Lahn, das NschBtl (SW) 120 stationiert. In der British Army war mit gleicher Aufgabe das 8 Art Sup Regt RCT eingesetzt. Es lag in Münster-Coerde, zuständig für das VLM Ostbevern.
Für das Abfeuern der atomaren Artilleriegranaten ist entsprechend
ausgebildetes Personal erforderlich gewesen. In den Artillerieregimentern
der Bundeswehrdivisionen gab es dafür Artilleriespezialzüge. Deren Trupps
wären zusammen mit den Atomgranaten an die Waffensysteme gebracht worden,
um sie für den Verschuß zu übernehmen.
Auch der Einsatz von Atomminen konnte nur von Spezialisten durchgeführt
werden. Das I. Korps der Bundeswehr hatte für diese Verwendung 1970 in
Minden den Spezial-Sperrzug 100 aufgestellt. Er wuchs 1978 zur Kompanie
auf. Die Niederländische Armee betraute mit der gleichen Aufgabe die
111 Peloton Speciale Opdrachten. 1986 endete die Einplanung von Atomminen.
Daraufhin wurde die Spezial-Sperrkompanie 100 am 1. Juli des Jahres von
ihrem Auftrag entbunden und zu einer regulären Kompanie des Pionierbataillons
110 umgewandelt.
Für die Raketenartillerieverbände gab es keine separaten Spezialisten
zum Einsatz der Atomwaffen. Da diese Systeme ausschließlich für den Verschuß
nuklearer Munition eingeplant waren, wurden in der Ausbildung alle relevanten
Angehörigen der Batterien entsprechend geschult.
Die US Army mußte aufgrund ihrer Schlüsselgewalt an jedem
Atomwaffen-Stützpunkt eigenes Personal stationieren. Das Oberkommando
dieser Truppen war die 59th Ordnance Brigade in Pirmasens. Der Brigade
waren diverse Artillery Groups unterstellt, die ihrerseits für eine Anzahl
Atomwaffenlager der NATO-Partner verantwortlich waren.
In Niedersachsen lag in Sögel die 552nd USAAG,
sie unterstützte das I. Korps der Bundeswehr und das I. Korps der Niederländer.
Im Nordrhein-Westfälischen Münster-Handorf lag die 570th USAAG zur Unterstützung des I. Korps der British Army und des I. Korps der Belgier.
Alle US-Detachments waren an ein Richtfunknetz angebunden.
Zwei Systeme standen dafür bereit: das European Command Control Console
System (ECCCS) und das Cemetery Net. Im Kriegsfall sollte die Kommunikation
über das Cemetery Net laufen. Diese Verbindungen dienten ausschließlich
der Kommunikation zwischen den Atomwaffen-Standorten und den zuständigen
Führungsebenen der NATO. Mehrere über Deutschland verteilte Knoten stellten
die Verbindung zu allen Standorten her.
Im Norden war das 39th Sig
Bn mit Heimat in der Carl-Schurz-Kaserne, Bremerhaven für die Betreuung des Netzes zuständig. Auf dem Kasernengelände
in Bremerhaven betrieb die 581st Sig Co einen Knotenpunkt mit großem Funkturm. Rund 170 km südlich stand auf dem Dörenberg,
in Linderhofe bei Extertal der nächste Knotenpunkt. Dort lag die 518th Sig Co.
Durch die charakteristischen Stahlgitter-Richtfunktürme waren seinerzeit
für Eingeweihte die Standorte der US-Detachments oftmals schon von weitem
erkennbar.
Die Atomwaffenlager im Bereich der NORTHAG -
Stand 1980er Jahre:
Einheiten
der NATO-Partner |
SAS |
US-Einheiten |
|
|
552nd USAAG,
Sögel |
Bundeswehr: |
ArtKdo 1 - NschBtl (SW)
120, Werlte |
VLM Lahn |
162nd Ord
Co, Sögel |
ArtKdo 1 - RakArtBtl 150,
Wesel (Lance) |
Wesel-Diersfordt |
1st USAFAD,
Wesel |
1. PzDiv - BglBttr 1,
Liebenau |
Liebenau |
32nd USAFAD,
Nienburg-Langendamm
|
3. PzDiv - BglBttr 3,
Dörverden-Barme |
Diensthop |
25th USAFAD,
Dörverden-Barme |
7. PzDiv - BglBttr 7,
Dülmen |
Dülmen-Visbeck |
81st USAFAD,
Dülmen |
|
Dünsen |
5th USAFAD,
Dünsen |
|
|
Koninklijke
Landmacht: |
19e Afvda,
't Harde/NL |
't
Harde/NL |
23rd USAFAD,
't Harde/NL |
129e Afvda,
Havelterberg/NL (Lance) |
Havelterberg/NL |
8th USAFAD,
Havelterberg/NL |
|
|
|
570th USAAG,
Münster-Handorf |
British
Army: |
8 Art
Sup Regt RCT, Münster-Coerde |
VLM Ostbevern |
583rd Ord
Co, Münster-Handorf |
45
Field Regt RA, Bergen-Hohne |
vermutlich
Walsrode |
15th USAFAD,
Bergen-Hohne |
39
Heavy Regt RA, Sennelager |
Sennelager |
22th USAFAD,
Sennelager |
27
Field Regt RA, Lippstadt |
Sennelager |
26th USAFAD,
Paderborn |
50
Missile Regt RA, Menden (Lance) |
Arnsberg-Holzen |
69th USAFAD,
Menden |
|
|
Belgische
Landmacht / Force Terrestre Belge: |
20e Bataillon d'Artillerie,
Werl
3ème Bataillon d'Artillerie, Werl (Lance) |
Werl |
4th USAFAD,
Werl |
|
Für die Atomminen, welche durch Pioniere der NATO-Partner
im Zusammenwirken mit Spezialisten der US Engineers eingesetzt werden
sollten, gab es keine separaten Munitionsdepots. Die Minen wurden in
den vorhandenen Sondermunitionslagern vorgehalten. Das US-Personal ist
den vor Ort stationierten Ord Co bzw. USAFAD unterstellt gewesen.
Die Sondermunitionslager:
Entsprechend der Bedeutung der Atomwaffen mußte für die Lagerung ein
besonderer Aufwand betrieben werden. Als Faktoren war die Gefährlichkeit
der Waffen, aber auch deren eigene Gefährdung zu nennen. Die Lager
wurden gewissermaßen zu Festungen ausgebaut, die eine Vereinnahmung
durch feindliche Kommandos verhindern sollten.
Stets war eine Absicherung mit Doppelzaun vorhanden. Im äußeren Bereich
stellten die NATO-Partner die Wache. Ständig waren Wachtürme besetzt
und Streifen unterwegs. Der innere Bereich wurde im Regelbetrieb nur
vom US-Militär betreten. Bei Alarmierungen bezog das Wachpersonal der
NATO-Partner aber auch Stellungen in diesem Bereich.
Im NATO-Englisch sind die Atomwaffenlager als Special Ammunition
Site (SAS) bezeichnet worden. Die Bundeswehr sprach von Sondermunitionslagern.
Grundsätzlich gab es zwei Kategorien dieser Depots.
Für die Korps-, Divisions- und Brigadeartillerie wurden kleine Sondermunitionslager
mit üblicherweise zwei erdüberdeckten Munitionslagerhäusern, in der Nähe
der einsetzenden Verbände eingerichtet. Dazu kamen größere Versorgungslager
Munition mit meist neun erdüberdeckten Munitionslagerhäusern. Die VLM dienten
zur Bevorratung und Belieferung der kleineren Sondermunitionslager. Details
zu kleinen Lagern zeigen die Seiten über das Sondermunitionslager Dünsen und das Sondermunitionslager Diensthop. Details zu einem VLM zeigt die Seite Versorgungslager Munition Lahn.
Der Transport der Atomwaffen zwischen den Depots ist hauptsächlich auf
dem Luftweg durchgeführt worden. Der zuständigen 59th Ordnance Brigade
hatte man eigens dafür das 22nd Aviation Detachment zugeordnet. Die Einheit
setzte große zweirotorige Transporthubschrauber vom Typ Vertol CH-47
„Chinook“ ein. Die Verlegungen wurden als „Air Mission“ bezeichnet. Im
Regelfall landeten die Maschinen im inneren Sicherheitsbereich unmittelbar
vor den Munitionslagerhäusern.
Die Existenz dieser Anlagen wurde der Allgemeinheit nicht
bekanntgegeben. Die kommunalen Behörden waren jedoch stets informiert.
Trotz aller Geheimhaltung kannten die Aktivisten der Friedensbewegung
die meisten Atomwaffenlager. Insbesondere in den 1980er Jahren wurden
zahlreiche Demonstrationen bis vor das Tor der Liegenschaften durchgeführt.
Bereits mehrere Jahre vor dem Ende des Kalten Krieges wurde
in Westeuropa die Anzahl der Atomwaffen deutlich reduziert. 1983 fand
im kanadischen Montebello eine Sitzung der Nuklearen Planungsgruppe der
NATO-Staaten statt. Dabei hat man beschlossen, bis 1988 1.400 atomare
Sprengköpfe aus Europa abzuziehen. Nachdem 1985 Michail Gorbatschow Staatschef
der Sowjetunion geworden ist, erfolgte auch im Ostblock ein Umdenken.
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre setzte eine spürbare Entspannung
ein, die weitere Verhandlungen ermöglichten und konkrete Umsetzungen
folgen ließen.
Als erstes wurden 1986 die Atomminen in die USA zurück verlegt. Im Juli
1987 ist die Sondermunition aus Dünsen abgezogen worden. Im September
1988 erfolgte die Aufgabe des Lagers Diensthop. Und im Juni 1989 hat
man die Atomwaffen aus Wesel-Diersfordt abtransportiert.
Beim Fall der innerdeutschen Mauer, was allgemein als das Symbol der
Beendigung des Kalten Krieges gesehen wird, waren für das I. Deutsche
Korps nur noch das VLM Lahn
und das SdMunLgr Liebenau aktiv.
Nach Ende des Kalten Krieges wurde eine direkte und schnelle
Einbindung von Atomwaffen in die Heeres-Verbände der NATO-Partner komplett
aufgegeben. 1992 sind die verbliebenen Lager Lahn und Liebenau geschlossen
worden.
Die Nukleare Teilhabe besteht noch heute. Allerdings werden jetzt nur
noch, in stark reduziertem Umfang, Bomben für fliegende Verbände der
Luftstreitkräfte vorgehalten. In Niedersachsen gibt es keine Atomwaffen
mehr.
Zustand:
Die ehemaligen Atomwaffenlager in Niedersachsen wurden vom Militär endgültig
freigezogen, ausgenommen das Munitionsdepot Walsrode. Der Zustand der
aufgegebenen Objekte ist in der Aufstellung unten ersichtlich.
Zugang:
Einige der ehemaligen Atomwaffenlager sind heute zugänglich.
Hinweis:
Die Websiete USArmyGermany.com zeigt die 59th Ordnance Brigade in allen
Einzelheiten:
https://www.usarmygermany.com/Units/Ordnance/USAREUR_59thOrdBde.htm |
Fotos:
Die Infrastruktur der Sondermunitionslager:
Auf der Zufahrtstraße zum VLM Lahn
konnten Abweiser eingesetzt werden.
Das Tor zum SdMunLgr Diensthop.
Ein ursprüngliches Alarmgebäude für die deutsche Wachmannschaft.
Mit dem LRSP wurden
am Tor massive Wachgebäude errichtet.
In jedem Lager zu finden: ein Wachturm in Betonbauweise, direkt an das
Wachgebäude angebaut.
Innenansicht eines Wachturmes.
Am Wachgebäude eine Personenschleuse.
Innenansicht an der Personenschleuse.
Unter den Fenstern Schießscharten zur Nahbereichsverteidigung.
Die Zugänge waren mit Betonwänden abgeschirmt.
Das Wachgebäude im VLM Lahn
war zweigeschossig. Der Wachturm wurde entfernt.
Hinter langgestreckten Betonwänden konnten sich im Alarmierungsfall Wachen
geschützt bewegen.
Im VLM Lahn
gab es mehrere massive Kampfstände.
Ein entsprechend der Größe des Lagers hoher Stahlturm in Lahn.
Wachturm in Stahlbauweise.
Wachturm in Holzbauweise.
Das große Wartungsgebäude in Lahn.
In den Divisions-Lagern waren die Wartungsgebäude kleiner.
Das Energiegebäude für Heizung und Stromversorgung.
Die neun MLH in
Lahn.
Die zwei MLH in
Dünsen.
Nur im Sondermunitionslager Dünsen hatten die MLH keinen
Vorbau.
Üblich war die zusätzliche Abschirmung des MLH mit
einem käfigartigen Vorbau.
Das Innere eines Atomwaffenbunkers sieht recht unspektakulär aus.
Hier unter der Decke Befestigungen für eine Abschirmung aus Stacheldraht.
US-Liegenschaften:
Das Stabsgebäude der 552nd USAAG in
der ehemaligen Mühlenberg-Kaserne, Sögel.
Die Unterkunft des 25th USAFAD in
der Niedersachsen-Kaserne, Dörverden.
Funkturm eines Knotens der Netze ECCCS und
Cemetery Net in Bremerhaven.
Funkturm in Sögel.
Funkturm in Nienburg-Langendamm.
Waffensysteme
Raketenartillerie:
SARS Honest
John.
Eingesetzt von:
SARS Sergeant.
Eingesetzt von:
SARS Corporal.
Eingesetzt von:
SARS Lance.
Eingesetzt von:
Rohrartillerie:
FH 203
mm M 115.
Eingesetzt von:
FH 203
mm SF M 110.
Eingesetzt von:
PzH 203
mm M 55.
Eingesetzt von:
PzH 155
mm M 109.
Eingesetzt von:
203 mm-Atomgranate mit Verpackung.
Eingeplant für:
Pioniere:
Atommine MADM (demontiert).
Eingeplant für:
|