Bis
1945:
Es existiert kein Ort namens Wittmundhafen. Der Flugplatz erhielt diese
Bezeichnung bei Übernahme des Luftschiffhafens durch die Marine, als Kombination
aus dem Standort Wittmund und der norddeutschen Endung der Ortsnamen von
Marinegarnisonen wie Bremerhaven, Cuxhaven und Wilhelmshaven. Solange die
Marine das Kommando in Wittmund hatte, schrieb sich der Name Wittmundhaven
- mit „v“.
Im September 1911 hatte ein Brand bei der Ortschaft Webershausen ein großes
Waldareal vernichtet. Auf der Suche nach geeigneten Flächen für einen weiteren
Standort für Luftschiffe fiel die Wahl der Heeresleitung auf diesen Ort.
Im Februar 1916 verkündeten vor Ort Offiziere des Heeres, daß auf dem brachliegenden
Gelände nun ein Luftschiffhafen errichtet werden solle. Die Bauarbeiten
begannen im Spätsommer des Jahres. Bereits im Spätherbst war die Anlage
soweit betriebsbereit, daß Luftschiffe den Flugbetrieb aufnehmen konnten.
An Bauwerken wurde zunächst die 240 m lange Doppelhalle „Wille“ errichtet.
Auch die üblichen weiteren Gebäude für Betrieb und Unterkunft sind in dieser
Zeit gefertigt worden. Ein Gleisanschluß zur Kleinbahn Aurich - Wittmund
sicherte den Transport von Baumaterial und Nachschub bis rauf auf das Flugfeld.
Anders als bei den meisten anderen Luftschiffhäfen ist in Wittmundhafen
kein Gaswerk gebaut worden. Die für den
Betrieb unbedingt benötigte Gasproduktion wurde vom Werk auf dem gut 25
km entfernten Luftschiffhafen Hage gestellt. Das Gas transportierte man
mit Eisenbahn-Kesselwagen heran.
Das Heer nutzte Wittmundhafen jedoch nur kurze Zeit, bereits nach wenigen
Monaten verlegte die Truppe nach Bulgarien. Nachfolger in Wittmund wurde
nun die Marine. Sie stationierte hier ab 5. April 1917 als Bodenpersonal
den knapp 600 Mann starken Luftschifftrupp IV. Er war vorher in Hage beheimatet.
Dieser Platz wurde jedoch wegen zu häufig auftretendem Bodennebel aufgegeben,
nur das dortige Gaswerk blieb in Betrieb. Diverse Luftschiffe der Kriegsmarine
waren nun bis zum Kriegsende in Wittmundhaven stationiert. Sie flogen von
hier aus ihre Aufklärungsflüge über der Nordsee sowie Bombenangriffe auf
Ziele in Großbritannien. Für die neuen Anforderungen ist 1917 die zweite
gleichgroße Doppelhalle „Wunsch“ errichtet worden.
Die noch vorhandenen Luftschiffe wurden 1918 bei Kriegsende außer Betrieb
genommen und blieben nun längere Zeit unbewegt in den Hallen. Als die Order
der Siegermächte kam, die Fluggeräte als Reparationen auszuhändigen, zerstörten
die Wachmannschaften sie am 23. Juni 1919. Nur das LZ 18 konnte danach
repariert und übergeben werden. Erst am 21. September 1920 löste das Militär
den Marineluftschifftrupp IV auf. Danach wurde der Platz demilitarisiert,
die Hallen riß man ab. Die nächsten Jahre war das Gelände landwirtschaftliche
Nutzfläche.
Erst
im Jahre 1938 wurde das Militär auf dem Gelände Wittmundhafen wieder
aktiv. Nun begann der Aufbau eines Einsatzhafens für die Luftwaffe. Südlich
der heutigen Bundesstraße 210 wurden bei Webershausen zahlreiche Gebäude
für Betrieb, Verwaltung und Unterkunft neu errichtet. Auf dem Flugfeld
baute das Militär drei Betonstartbahnen in der seinerzeit gebräuchlichen
Triangel-Form. Jede der Bahnen hatte zunächst eine Länge von 1200 m.
Die Trasse der Kleinbahn Aurich - Wittmund mußte wegen des Ausbaus in
einem weiten Bogen nach Süden verlegt werden. Am Westrand des Platzes
wurde ein Munitionsdepot eingerichtet. Drei Abstellplätze zur geschützten
Unterbringung der Einsatzmaschinen sind außerhalb der Platzgrenzen angelegt
worden: nördlich, südwestlich und südöstlich.
Zu Beginn des II. Weltkrieges war die neue Anlage noch nicht fertiggestellt,
erst 1940 konnten die ersten fliegenden Verbände stationiert werden.
Damit stand der Flugplatz aber rechtzeitig für die beginnenden Luftangriffe
auf Großbritannien bereit. Hierfür wurde unter anderem die I. Gruppe
des Kampfgeschwaders 4 „General Wever“ mit Heinkel He 111H-Bombern stationiert.
Nach Beendigung der Luftangriffe im Westen folgte für Wittmundhafen eine
ruhigere Zeit. Belegungsdaten liegen bis 1943 nicht vor.
Mit den zunehmenden Bomberangriffen der Alliierten auf das Reichsgebiet
in der zweiten Kriegshälfte ging die Luftwaffe in die Defensive. Nun
wurden insbesondere im Nordwesten Deutschlands Tag- und Nachtjagdverbände
zur Abwehr stationiert. Ab 1943 waren Teile der I. Gruppe des Nachjagdgeschwaders
3 aus Vechta mit
Messerschmitt Bf 110-Nachtjägern in Wittmundhafen beheimatet. Die Bedeutung
des hiesigen Flugplatzes stieg ständig an, er erhielt nun den Status
eines Fliegerhorstes. Zu seiner Entlastung ist begonnen worden, einen
befestigten Rollweg zum rund 7 km entfernt liegenden Einsatzhafen Brockzetel anzulegen. Das Projekt wurde aber nicht vollendet, allein da in Brockzetel wegen
fehlender Infrastruktur Flugbetrieb nicht möglich war.
Es folgten einige Besonderheiten für die Anlage. Vom Mai bis zum September
1943 flog das Erprobungskommando 25 mit speziellen Jägern Focke-Wulf
Fw 190A Einsätze zum Testen von verschiedenen neuentwickelten Waffen
zur Bomberabwehr.
Im Frühjahr 1944 wurde hier die 1. Staffel des Jagdgeschwaders 400 aufgestellt.
Dieser Verband war mit dem neuartigen Raketenjäger Messerschmitt Me 163
„Komet“ ausgerüstet. Für diese Luftfahrzeuge mußten diverse Baumaßnahmen
eingeleitet werden, da sie eine besondere Infrastruktur erforderten.
Die Ost-West-Startbahn wurde auf 1.800 m verlängert. Luftaufnahmen zeigen,
daß sogar noch ein weiterer Ausbau auf über 2.500 m begonnen worden ist.
Im Südosten des Flugplatzes ist ein neuer Betriebsbereich entstanden.
Drei große Hallen wurden errichtet, getarnt als landwirtschaftliche Gebäude.
Etwas abgesetzt entstand eine Häusergruppe als Lager für den speziellen
Raketentreibstoff.
Weiterhin ist ab Oktober 1944 die 6./KG 53 in Wittmund stationiert gewesen.
Diese Staffel flog umgerüstete Heinkel He 111-Bomber, die als fliegende
Trägerplattform für die V1-Marschflugkörper dienten.
Den Alliierten blieb die Bedeutung von Wittmundhafen natürlich nicht
verborgen. So war es klar, daß auch Bombardierungen durchgeführt wurden.
Am 15. August und 15. Oktober 1944 fanden Angriffe statt, die einige
Zerstörungen brachten. Der schwerste Luftangriff fand aber am 21. März
1945 statt. Durch die Bombenwürfe der US Air Force wurde der Flugplatz
so stark zerstört, daß ein Flugbetrieb unmöglich geworden ist. In diesem
Zustand erlebte der Fliegerhorst das Kriegsende.
Ab 1945:
Die Zeit nach dem II. Weltkrieg hat für Wittmund einige Ähnlichkeit,
mit der nach dem I. Weltkrieg. Auch jetzt wurde wieder der Flugplatz
demilitarisiert. Viele Gebäude und Einrichtungen mußten abgerissen
werden, die Startbahnen sind entfestigt worden. Danach begann wieder
die landwirtschaftliche Nutzung des Geländes. Es blieben aber trotz
allem einige Bauten aus dem II. Weltkrieg bis heute erhalten.
Am Ende der 1950er befand sich die Bundeswehr in ihrer Aufstellungsphase.
Nun prüfte man wieder diverse Einrichtungen auf eine Brauchbarkeit für
die neue Armee. Das Gelände des vormaligen Fliegerhorstes Wittmundhafen
wurde als geeignet befunden, hier einen modernen neuen Flugplatz entstehen
zu lassen. Die Bauarbeiten begannen 1959, um eine nach NATO-Normen ausgelegte
Einsatzbasis für ein Jagdgeschwader aufzubauen. Die neue Konzeption sah
vor, eine deutliche räumliche Trennung zwischen der Einsatzbasis und
den Unterkünften für das Personal zu erreichen. Daher befindet sich in
Wittmundhafen heute nur der Flugbetriebsbereich des Geschwaders, die
eigentliche Kaserne ist im Stadtgebiet von Wittmund, rund 8 km entfernt,
untergebracht. Übrigens ist Wittmund damit der einzige Flugplatz in Niedersachsen,
bei dem diese Vorgabe vollständig umgesetzt wurde.
Auf dem Flugplatzgelände konnten nun sämtliche Einrichtungen neu entstehen.
Lediglich vereinzelt waren noch ältere Gebäude vorhanden, die nun teilweise
in den Militärbereich integriert wurden. Eine neue Startbahn mit 2.440
m Länge baute man in Ost-West-Richtung, ähnlich der größeren Bahn aus
Zeiten des II. Weltkrieges. Die Nord-Süd-Ausdehnung der Liegenschaft
wurde jedoch halbiert. 1963 konnten die Bauarbeiten vollendet werden.
Hausherr auf dem neuen Fliegerhorst wurde das Jagdgeschwader 71 „Richthofen“,
welches im März 1963 von Ahlhorn hierher
verlegte. Dieses Geschwader war zunächst mit dem Jäger F-86 „Sabre“ ausgerüstet.
Noch im gleichen Jahr begann aber der Zulauf der neuen F-104G „Starfighter“.
Zum geschützten Abstellen der neuen Jets sind bis 1966 massive Betonshelter
errichtet worden. Der nächste Wechsel stand 1974 an, die F-4F „Phantom“
wurde das neue Einsatzmuster der Staffeln. Bis zum heutigen Tage ist
die „Phantom“ hier im Einsatz. Durch das hohe Alter der Flugzeuge ist
ein erheblicher Wartungsaufwand erforderlich. Das Geschwader wartet darum
nun auf den Zulauf des Nachfolgers „Eurofighter“.
Zustand:
Für die bis heute andauernde Nutzung als Fliegerhorst sind im Laufe der
Jahre natürlich etliche Veränderungen an den Einrichtungen vorgenommen
worden. Es lassen sich im Südbereich aber noch einige Bauten aus Zeiten
des II. Weltkrieges finden. Bei diesen handelt es sich interessanterweise
um den Liegebereich der 1./JG 400.
Zugang:
Der heutige Fliegerhorst
der Bundeswehr darf als Militärischer Sicherheitsbereich natürlich nicht
unbefugt betreten werden. Es gibt aber außerhalb dieses Areals verschiedene zugängliche Bereiche, insbesondere
im Süden.
Hinweis:
Die Flak-Batterie 271 ist im Internet zu finden:
http://www.flakbttr271.de
Für alle Flugplätze gilt:
Über die Flughäfen der Luftwaffe ist ein Buch mit zahlreichen zeitgenössischen
Standort-Skizzen erschienen:
Titel: Fliegerhorste
Autoren: Karl Ries und Wolfgang Dierich
Verlag: Motorbuch
ISBN: 3-613-01486-6
In diesem Buch ist vom Flugplatz Wittmund eine Skizze enthalten! |
Blick
aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Fotos:
Die größten historischen Gebäude befinden sich im Südostbereich des ehemaligen
Fliegerhorstes
Weitere erhaltene Halle, sie dienten als Liegeplatz der Messerschmitt
Me 163-Raketenjäger.
Eine dritte Halle
Blick über das Flugfeld mit einer startenden „Phantom“ der Bundeswehr,
im Hintergrund wieder eine der historischen Hallen.
Für den heutigen Betrieb stehen massive Betonshelter zum geschützten
Abstellen der Kampfjets zur Verfügung
Im Südosten sind weitere Bauwerke aus dem II. Weltkrieg zu finden
Heute als Wohnhäuser genutzte Bauten, die früher Tanks für den Kraftstoff
der Me 163 enthielten.
Eine umgebaute Garage im Betriebsbereich der 1./JG 400
Reste der Platzrandstraße im Südwesten
Massive Rollwege in der nördlichen Abstellgruppe
Reste von Betonbauten im Nordbereich
Bunker der Vermittlung einer Flakstellung nordöstlich des Fliegerhorstes
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