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Rubrik: Explosivstoffproduktion Translation: English French Spanish Italian Dutch Danish Polish Russian
Eibia GmbH - Anlage „Walo II“, Bomlitz
 Bis 1945: 
Die als erste in Bomlitz errichtete Eibia-Anlage „Waldhof“ mit den Nebenanlagen ist auf einer eigenen Seite beschrieben.
Südlich an die Anlage „Walo I“ angrenzend begannen Anfang 1938 die Arbeiten zur Errichtung der größten Pulverfabrik im Bomlitz, „Walo II“. Im Gebiet der Lohheide entstanden auf rund 230 ha insgesamt 262 Gebäude, davon 38 unterirdisch, 56 umwallt und 168 freistehend ausgeführt. Innerhalb des Geländes ist ein Gleisnetz von neun km Gesamtlänge errichtet worden, darauf wurde aus Sicherheitsgründen größtenteils ein Einrichtungsbetrieb durchgeführt. Vom Norden erfolgte dabei die Anfahrt über das Gleisdreieck Benefeld der Wolff-Werkbahn, die Abfahrt der Züge führte nach Süden zum Bahnhof Honerdingen an der Reichsbahnstrecke. Weiterhin erschlossen rund 20 km Straße die Anlage. Zwei je 7.500 KVA leistende Kraftwerke, die auch die Abteilung Löverschen versorgten, errichtete man an der Bomlitz. Aus der Warnau und der Böhme entnahm man das für den Betrieb benötige Wasser.
„Walo II“ nahm die Produktion bereits ab Juni 1939 auf, die endgültige Fertigstellung des Werkes folgte im Dezember 1940. Der Komplex war in funktional getrennt arbeitende Betriebe aufgeteilt. Im Norden lag der NC (Nitrocellulose)-Betrieb, im Westen der NG (Nitroglyzerin)- bzw. POL (Pulver ohne Lösungsmittel)-Betrieb und im Osten schließlich der RP (Rauchloses Pulver)-Betrieb. Dazwischen befanden sich die allgemeinen Anlagen, wie Wasser- und Energieversorgung, Labor und Werkstätten.
Die Produktion lief während des gesamten Krieges ohne größere Unterbrechungen. Für die Bomlitzer Anlagen insgesamt sind dabei an Monatstonnen (moto) gefertigt worden: NC = 1.600 moto, NG(POL)-Pulver = 2.380 moto, RP = 300 moto. In dieser Zeit kam es zu verschiedenen Unglücken in der Anlage, bei denen häufig Verletzte und auch Tote zu beklagen waren. Das schwerste Unglück ereignete sich am 02. Juli 1944, dabei gab es 50 Verletzte und zahlreichen zerstörte Gebäude.
Obwohl die Anlage den Alliierten bekannt war, fanden nie größere Luftangriffe auf das Werk statt. Ein ein Falle des Heranrückens alliierter Verbände erteilter Befehl zur Zerstörung der Anlagen wurde von der Betriebsleitung nicht ausgeführt. So lief die Produktion bis zum letzten Tag weiter, sie endete am 16. April 1945 vormittags, als Britische Verbände Bomlitz besetzten. Dann hat man allerdings die Fertigung abrupt gestoppt, ohne den jeweiligen Arbeitsgang zu beenden. Dadurch verblieben zahlreiche Produktionsreste in der gesamten Anlage, was bis heute zur starken Belastung des Geländes führte.

Nebenanlagen:
Im Umfeld von „Walo II“ sind diverse Einrichtungen entstanden, insbesondere zur Unterbringung der zahlreichen Arbeitskräfte die für die Errichtung und den Betrieb der Anlage und der weiteren Werke in Bomlitz benötigt wurden.
Die Verwaltung der Eibia zog im Hof Nonnenwald unter, nördlich des Haupttores außerhalb des Werksgeländes gelegen.

Der heutige Ortsteil Benefeld ist erst durch die Eibia GmbH entstanden. Hier wurden Werkssiedlungen errichtet, man brachte dort hauptsächlich die deutschen Beschäftigten unter. Die Führung der Eibia bestand größtenteils aus qualifizierten Ingenieuren und Chemikern, die direkt von Wolff & Co übernommen wurden. Weitere Arbeitskräfte hat man in ganz Deutschland angeworben, bzw. teilweise auch zwangsverpflichtet. Dafür sind weitere Arbeitslager in der Umgebung entstanden, wie z.B. in Bomlitz-Kibitzort, Cordingen, Hilperdingen, Grasbeck und Vorwalsrode. In Bomlitz waren insgesamt 5-6.000 Kräfte in den verschiedenen Werken eingesetzt, die Belegschaft bestand maximal zu fast 80% aus Ausländer, die aus 14 Nationen stammten.
Die Lager wurden auch als Unterkünfte für die angeworbenen und oft zwangsverpflichteten ausländischen Kräfte genutzt. Weiterhin stellte ein Arbeitskommando vom Stalag XI B Fallingbostel der Eibia Kriegsgefangene zur Verfügung. Ab 3. September 1944, und nur für sechs Wochen, bestand auch ein KZ-Außenkommando in Bomlitz, die Baracken befanden sich bei Benefeld auf dem Sandberg. Hier waren ca. 600 Frauen vom KZ Bergen-Belsen kommend einquartiert.

 Ab 1945: 
Nach Ende des II. Weltkrieges kam in „Walo II“ zu Plünderungen. Vom Landkreis Fallingbostel ab Sommer 1945 bis zum 1. Oktober 1947 die ehemalige Zentralwerkstatt als Kreiswerkstatt weiter betrieben worden.
Im Oktober 1947 begann die Demontage der Betriebsanlagen, maximal waren dazu fast 600 Arbeiter eingesetzt. Wegen der vielen Produktionsrückstände im Werk waren die Abbauarbeiten sehr gefährlich, insgesamt kamen fünf Arbeiter bei Explosionsunglücken ums Leben. Ab Sommer 1949 folgten für mehrere Monate die Sprengungen von über 200 Gebäuden, lediglich 42 Bauten blieben zunächst stehen. Im Jahre 1951 gaben die Alliierten die Anlage wieder an den Montan-Nachfolger IVG zurück. Im Norden, nahe dem ehemaligen Haupttor, befinden sich zwei bis heute gewerblich genutzte Geländeteile, in denen auch ehemalige Eibia-Bauten eingebunden sind.
1964 sind Planungen bekannt geworden, die den Bau einer Bundeswehrkaserne auf dem Gelände von „Walo II“ vorsahen, sie wurden aber, nach Widerstand aus Bomlitz, fallengelassen.
Die meisten Trümmer von „Walo II“ blieben für rund 30 Jahre unberührt im weiterhin eingezäunten Areal liegen. Durch die Unberührtheit des Geländes entstanden Biotope, trotz der weiterhin vorhandenen Belastung des Bodens. In 1970er Jahren hat Wolff & Co die Schächte der Kraftwerke I und II vorübergehend als Müllhalde für Produktionsreste genutzt, auch hierdurch entstanden Belastungen des Geländes.
1980 wurde, mit Ausnahme von rund 30 ha, das ehemalige Werksgelände von der Gemeinde Bomlitz aufgekauft. Daraufhin begann die Beseitigung der Trümmer und Altlasten durch den Niedersächsischen Kampfmittelbeseitigungdienst und weitere Spezialfirmen. Im Herbst 1989 schlossen dieses Maßnahmen ab. Seit 1982 steht die Lohheide als „Naturschutzgebiet Eibia-Lohheide“ unter Landschaftsschutz. Das Gelände gilt aber weiterhin als mit Altlasten verseucht, das Areal ist trotzdem als Naherholungsgebiet zugänglich.

Nebenanlagen:
Den Hof Nonnenwald hat zu Beginn der 1950er Jahre die Freie Waldorfschule als Lehreinrichtung übernommen. Weiterhin wurde die ehemalige Technische Abteilung zu einer Grundschule umgewandelt und die Hauptpförtnerei beherbergt heute einen Internatsbetrieb. Die massiven Häuser in den Siedlungen wurden, nachdem die Arbeiter der Eibia sie geräumt hatten, gleich wieder von Vertriebenen belegt. Heute sind diese Bauten gewöhnliche Wohnhäuser.

 Zustand: 
Im Gelände sind einige Gebäude erhalten geblieben. Im nicht eingezäunten Bereich stehen noch ein Betriebsleitergebäude, ein Aufenthaltsgebäude, die Elektrokarrenhalle, die Wasser-Filterstation und ein Schneidwerk. Einige weitere Bauten befinden sich in den zwei weiterhin genutzten Teilen des Areals. Von den meisten Gebäuden sind aber nur noch die Erdwälle zu sehen, die teilweise beachtliche Ausmaße erreichen.

 Zugang: 
Das Gebiet der Anlage „Walo II“ ist als Naherholungsgebiet von Wanderwegen durchzogen und zugänglich. Ein kleiner Teil im Norden wird von zwei Betrieben als Werksgelände genutzt und ist weiterhin gesperrt.

 Hinweis: 
Über die Anlagen in Bomlitz sind verschiedene Bücher erschienen, zum Beispiel:

Titel: Geheime Reichssache EIBIA
Autor: Helge Matthiesen
Verlag: J. Gronemann KG
Titel: Prädikat „Bestbetrieb“ - die Eibia GmbH für chemische Produkte in Bomlitz
Autor: Andrea Hesse
Verlag: Lit Verlag
ISBN: 3-8258-2728-3
Blick aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Google Maps

Fotos:
Betriebsgebäude:

Pförtnerhaus
Das Pförtnerhaus am Haupttor

Feuerwache
Am früheren Hauptwerkstor liegt die Sanitätsstation mit der Feuerwache

Schlauchturm
Der Unterbau des Schlauchturms der Feuerwache ist erhalten, der Turm selbst abgebaut.

Betriebsleitergebäude
Auf dem Dach des Betriebsleitergebäudes wurde nach dem Krieg ein Feuerwachturm aufgestellt

Lokomotivschuppen
Der Lokomotivschuppen ist heute Teil eines Fabrikkomplexes

Werkstatt
Die Werkstatt steht im heute noch genutzten Werksgelände

Aufenthaltsgebäude
Drei verschiedene Aufenthaltsgebäude, dieses liegt im weiterhin genutzten Werksgelände.

Aufenthaltsgebäude
Dieses befindet sich auf dem zweiten Fabrikgelände

Aufenthaltsgebäude
Am Ostrand von „Walo II“

Elektrokarrenhalle
Die Elektrokarrenhalle steht im Zentrum der Anlage

Kraftwerk
Vom großen Kraftwerk II sind noch einzelne Trümmer zu finden

Entstaubung
Reste der Entstaubung von Kraftwerk II

Wasser-Filterstation
Die Wasser-Filterstation war noch bis in die 1980er Jahre in Betrieb

Produktionsbereich:
Absorption
Die Absorption liegt am Rand des weiterhin gewerblich genutzten Bereiches
Schneidwerk
Dieses Schneidwerk am Südostrand der Anlage liegt im Betrieb für Rauchloses Pulver
Lagergebäude
Im genutzten Werksgelände befinden sich vier ehemalige Lagergebäude für feuchte Wolle
Lagerhäuser
Weitere Lagerhäuser für feuchte Wolle
Lagerhaus
Lagerhaus für feuchte Wolle
Verwaltung:
Zugang
Zugang zu einer unterirdischen Einrichtung
Nonnenwald
Das frühere Verwaltungsgebäude im Hof Nonnenwald wird heute von der Waldorfschule genutzt
Technische Abteilung
Auch in der Technischen Abteilung ist eine Schule eingerichtet worden

Waldhof, Röpersberg, Bayershof und Walo I sowie Wolff sind auf separaten Seiten erläutert.
Karte
Maßstab

Quellenangabe:
- Niedersächsisches Umweltministerium: Gefährdungsabschätzung von Rüstungsaltlasten in Niedersachsen
- Helge Matthiesen: Geheime Reichssache EIBIA
- Andrea Hesse: Prädikat „Bestbetrieb“ - die Eibia GmbH für chemische Produkte in Bomlitz
 
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