Bis
1945:
Die Geschichte des Flugplatzes der Stadt Bremen ist auf einer eigenen
Seite beschrieben.
Nachdem der Bremer Luftfahrtpionier Henrich Focke 1909 erste Flugversuche
mit einem Gleiter eigener Konstruktion im Stadtgebiet unternommen hatte,
errichtete er 1910 am Südrand des Exerzierplatzes Neuenlander Feld einen
kleinen Schuppen, um hier seine Luftfahrzeuge zu montieren. Im gleichen
Jahr wurde ein erstes Motorflugzeug fertiggestellt, die Kolthoff-Focke
A III, welche aber wegen Untermotorisierung nicht flugtauglich war. Mit
dem Nachfolger A IV klappte 1912 dann endlich der erste Motorflug. Zu dieser
Zeit beteiligte sich auch Georg Wulf an der Entwicklung der Flugzeuge.
Das nächste Modell lief dann bereits unter der Bezeichnung Focke-Wulf,
die A VI. Ihre Fertigstellung wurde aber 1914 durch den Beginn des I. Weltkrieges
unterbunden.
Nach
Ende des Krieges, den Focke und Wulf bei der Fliegertruppe verbracht
hatten, nahmen die beiden die Arbeiten an Flugzeugen wieder auf. Mit
dem Motor der A VI wurde eine Neukonstruktion A VII hergestellt. Am 23.
Oktober 1923 gründeten Henrich Focke und Georg Wulf schließlich das Werk
„Bremer Flugzeugbau AG“, den Namen änderten sie aber bereits am 13. November
auf „Focke-Wulf Flugzeugbau AG“. Die Fertigung fand zunächst in den vorhandenen
Hallen des Flugplatzes statt, 1926 wurden eigene Gebäude am Ort des heutigen
Werkes bezogen. Als erstes Verkehrsflugzeug entstand 1924 die A 16, sie
konnte in Serie produziert werden. Es folgten diverse weitere Konstruktionen
von kleineren Passagierflugzeugen. Bei der Erprobung eines Prototyps
stürzte Georg Wulf am 29.9.1927 tödlich ab.
Focke-Wulf mußte 1931 auf Druck der Reichsregierung das Berliner „Albatros
Flugzeugwerk“ mit übernehmen. Dadurch erschloß sich dem Werk die zunächst
noch geheime Tätigkeit für die militärische Luftrüstung. Im Jahre 1933
wurde Kurt Tank technischer Direktor von Focke-Wulf. Er folgte nach der
nationalsozialistischen Machtübernahme den Vorgaben der Regierung, die
eine starke Aufrüstung der Luftwaffe erreichen wollte. Unter seiner Leitung
entstanden in den 1930er Jahren erfolgreiche Typen, wie die Fw 44 „Stieglitz“,
Fw 56 „Stösser“ und Fw 58 „Weihe“, die allesamt geeignete Schul- und
Übungsflugzeuge für den militärischen Flugzeugführernachwuchs wurden.
Ein besonderer Höhepunkt der Entwicklungen von Tank war 1937 das große
Langstrecken-Passagierflugzeug Fw 200 „Condor“, mit ihr wurden Nonstop-Transatlantikflüge
möglich.
Das Werk expandierte deutlich wegen der enorm gestiegenen Produktion.
Anfang 1934 begannen umfangreiche Baumaßnahmen im Stammwerk am Flughafen.
Dazu wurde im Herbst des Jahres von der Norddeutschen Waggonbaufabrik
das Werk im Stadtteil
Hastedt übernommen. 1937 ist schließlich noch ein neues Werk in Bremen-Hemelingen errichtet worden. Im Hemelinger Werk wurde auch die Ausbildungswerkstatt gebaut.
In Sebaldsbrück entstand die angegliederte Fliegertechnische Vorschule
(FlTV), in der Militärschüler untergebracht waren. Diese wurden in der
Luftfahrtindustrie ausgebildet, um danach als Zeitsoldaten beim Bodenpersonal
der Fliegenden Verbände der Deutschen Luftwaffe zu dienen.
Im Frühjahr 1937 mußte Henrich Focke auf Druck der Aktionäre seinen Platz
räumen, er gründete zusammen mit Gerd Achgelis in Hoykenkamp bei Delmenhorst
das Werk „Focke-Achgelis & Co“.
Dort widmete er sich erfolgreich seinem Ziel, einen Hubschrauber zu entwickeln.
Im Frühjahr des Jahres 1938 erhielt Kurt Tank den Auftrag zur Entwicklung
eines neues Jagdflugzeuges. Dieses führte zum wichtigsten deutschen Jagdflugzeug
des II. Weltkriegs, der Fw 190 „Würger“, Anlauf der Serienproduktion
war im Frühjahr 1941. Bis zum Kriegsende wurden ca. 25.000 Exemplare
davon gefertigt. Die Herstellung ist auch an weiteren Werksstandorten
in Ostdeutschland und bei anderen Flugzeugwerken in Lizenz durchgeführt
worden. Als weitere Muster standen der Nahaufklärer Fw 189 „Eule“ und
die militärische Variante der Fw 200 C in Produktion.
Unter der Führung von Tank entstanden diverse weitere Entwicklungen,
aus der Fw 190 entwickelte er die Ta 154. Focke-Wulf hat ab ihm 1943
das Privileg zugestanden, alle Neukonstruktionen zukünftig mit der Bezeichnung
Ta zu versehen. Für seine Verdienste um die Luftfahrtentwicklung ist
Tank im Januar 1943 zum Professor mit Lehrstuhl an der Technischen Hochschule
in Braunschweig ernannt worden.
Für die Alliierten war natürlich das Bremer Flugzeugwerk ein
strategisch wichtiges Ziel, daß sie häufig bombardierten. Aus Gründen
des Luftschutzes waren bereits lange vor dem Krieg die Hallen in relativ
großem Abstand zueinander errichtet worden, um gezielte Bombenabwürfe
zu erschweren. Jetzt sind die Hallen und auch die Betonpisten des Flugplatzes
mit Tarnanstrich versehen worden. Beim Bau von Luftschutzbunkern zeigte
das Werk eine Vorliebe für die markanten Luftschutztürme der Bauart Winkel.
Auf und vor dem Werksgelände am Flughafen wurden vier davon errichtet,
im Hastedter Werk drei.
Als aktives Element der Luftverteidigung wurde eine eigene Jagdstaffel,
die FW-Werkschutz-Staffel, im Juni 1940 aufgestellt, sie flog mit Erprobungsmustern,
wie der Fw 187 Falke, und gerade fertiggestellten Jägern Fw 190 zur Abwehr
der Bomberangriffe. Das fliegende Personal bestand aus Einfliegern des
Werkes, sie sind während der Einsätze als Reservisten in den Status von
Wehrmachtsangehörigen eingestuft worden.
Da die Werke in Bremen die am nächsten Richtung Großbritannien befindliche
Flugzeugwerke Deutschlands waren, ist hier als erstes bereits 1940 mit
einer Verlagerung von Teilen in weniger gefährdete Regionen begonnen
worden, dieses zog sich bis in den September 1943 hin. Die Konzernführung
mit der Entwicklung blieb dabei im Nordwestdeutschen Raum. Es wurden
Außenstellen auf den Fliegerhorsten Delmenhorst-Adelheide (Musterbau),
Detmold (Zellenentwicklung) und Langenhagen (Erprobung) geschaffen. Kurt Tank zog mit der gesamten Technischen Direktion
in den Kurort Bad Eilsen um, hier befand sich damit gewissermaßen die Konzernzentrale. Der Serienbau
siedelte nach Ostdeutschland und Polen um, in Cottbus, Sorau, Marienburg
und Posen waren die Werksstandorte. In Bremen verblieb hauptsächlich
die Kaufmännische Verwaltung. Zum Kriegsende hin wurde auch mit einer
Verlagerung von Produktionsstätten unter die Erde begonnen, z.B. in die
U-Verlagerung „Elritze“ bei Kleinenbremen.
1943 arbeiteten nur noch 21 % der Belegschaft in Bremen, die Gesamtzahl
der Beschäftigten betrug 1944 rund 37.000. Im Fertigungsbetrieb waren
ab 1940 zahlreiche Fremd- und Zwangsarbeiter eingesetzt, ab 1944 hat
man auch KZ-Häftlinge beschäftigt. Im Stadtgebiet von Bremen existierten
verschiedene Lager für diese Arbeitskräfte.
Die Hansestadt ist Ende April 1945 von Britischen Truppen im Kampf erobert
worden. Sie übergaben die Stadt danach vertragsgemäß der US Army.
Ab 1945:
Während die Werksgelände in Hastedt und Hemelingen bereits im Mai 1945
von den US-Truppen wieder freigegeben wurden, ist von ihnen das Stammwerk
am Flughafen bis Februar 1949 als Stützpunkt verwandt worden. Die Standorte
Hastedt und Hemelingen hat man an gewerbliche Unternehmen vermietet,
hier fand eine Produktion für die Luftfahrt nie mehr statt. Die FlTV
Sebaldsbrück ist in ein Krankenhaus umgewandelt worden. Da von den
Alliierten Deutschland zunächst jegliche Betätigung auf dem Luftfahrtsektor
untersagt war, konnte auch am Flughafen der Betrieb nicht in diesem
Sinne fortgeführt werden. Man schwenkte vorübergehend auf Gebrauchsgüter
des Haushalts um, hier bestand ein sehr großer Bedarf unter Flüchtlingen
und Ausgebombten. Teile des Werksgeländes waren anderweitig vermietet,
darunter an eine Spedition.
Direkt nach der zunächst eingeschränkten Freigabe von Flugzeugfertigungen
durch die Alliierten, begann Focke-Wulf 1951 wieder mit der Herstellung
von Segelflugzeugen. Den Beginn der Produktion von Motorflugzeugen stellte
der Auftrag der Bundesregierung für die Lizenzfertigung von Piaggio P
149 D Schulflugzeugen für die neu aufzustellende Bundeswehr ab 1955 dar.
So begann 10 Jahre nach Kriegsende der Aufschwung für das Focke-Wulf-Werk
wieder mit der Fertigung für das Militär. Es folgten Verträge zur Betreuung
verschiedener Flugzeugmuster der Luftwaffe und Marine.
Im Jahre 1961 gründeten Focke-Wulf, Weserflug und
Hamburger Flugzeugbau den Entwicklungsring Nord (ERNO) für Beteiligung
am europäischen Trägerraketenprogramm. Seit 1963 firmierte dieser Verbund
unter dem Namen ERNO-Raumfahrttechnik, mit Stammsitz auf dem Focke-Wulf-Gelände
am Flughafen Bremen. ERNO hat das Spacelab entwickelt und gebaut, Satelliten
gehören zur ständigen Produktpalette. Heute ist die Firma im europäischen
Verbund EADS unter dem Namen Astrium aktiv und fertigt Teile der europäischen
Trägerrakete „Ariane“ und Komponenten für die zukünftige internationale
Raumstation ISS.
Da weite Bereiche von Focke-Wulf durch den II. Weltkrieg zerstört oder
in Ostdeutschland unerreichbar waren, stellte sich die wirtschaftliche
Situation für den Konzern weitaus schlechter dar, als es für den anderen
Bremer Flugzeugbau-Konzern „Weser“-Flugzeugbau
GmbH war. Dadurch bedingt sah sich Focke-Wulf zu einer Fusion mit Weserflug zu den
„Vereinigten Flugtechnischen Werken“ (VFW) gezwungen, der 1. Januar 1964
war Gründung dieses Unternehmens.
Zu dieser Zeit setzte ein Strukturwandel bei den Flugzeugwerken ein,
aus Rationalisierungsgründen wurde vermehrt die Endmontage von Flugzeugen
auf immer weniger Standorte konzentriert und in den anderen Werken die
Komponentenfertigung betrieben. Hierbei konzentrierte sich im Raum Bremen
die Endmontage auf den Standort Lemwerder. Im Werk am Bremer Flughafen
fand danach Teileproduktion statt und die Konzernführung mit der Entwicklungsabteilung
residierte hier. An Eigenentwicklungen sind der militärische Senkrechtstarter
VAK 191 B und der zivile Kurzstrecken-Jet VFW 614 zu nennen, der Senkrechtstarter
kam über drei Prototypen 1971 nicht hinaus, die VFW 614 wurde zu einem
wirtschaftlichen Mißerfolg, der den Konzern 1977 an den Rande des Zusammenbruchs
führte.
Wirtschaftliche Probleme führten 1969 zum Zusammenschluß mit dem niederländischen
Flugzeugbaukonzern Fokker zu VFW-Fokker, nach deren Trennung 1980 folgte
ein Jahr später die Verschmelzung von VFW mit der MBB. Damit endete die
Eigenständigkeit des Bremer Flugzeugbaus. Weiter ging MBB 1989 unter
der Führung von Daimler-Benz in die DASA auf. Seit Juli 2000 sind die
am Airbus-Programm beteiligten europäischen Flugzeugwerke unter der Bezeichnung
European Aeronautic Defense and Space Company (EADS) zusammengefaßt.
Heute findet im Bremer Werk die Ausrüstung von Tragflächen und Fertigung
von Teilen für die Airbus-Familie statt.
Zustand:
Das Stammwerk am Flughafen ist durch die fortdauernde intensive Nutzung
in seiner Substanz mehrfach verändert worden, nur vereinzelt sind historische
Bauten erkennbar. Im Werk Hastedt, bis heute gewerblich genutzt, sind
mehrere Hallen und ein Spitzbunker erhalten. Das Werk Hemelingen ist
in der jüngsten Vergangenheit vollständig abgerissen worden. In der
ehemaligen Fliegertechnischen Vorschule Sebaldsbrück, dem heutigen
Krankenhaus Sebaldsbrück, stehen mehrere Bauten aus den 1930er Jahren.
Zugang:
Die Werksstandorte
sind von den jeweiligen Besitzern gegen Zutritt gesperrt worden.
Hinweis:
Es existiert verschiedene Literatur über Focke-Wulf, Beispiele:
Titel: Wellblech und Windkanal
Autor: Projektgruppe Betriebsgeschichte des Bremer Flugzeugbaus
Verlag: Steintor Bremen Verlagsgesellschaft
ISBN: 3-926028-51-3 |
Titel: Flughafen, Fliegerschule,
Focke-Wulf, Weser-Flug und Raketengesellschaft
Autoren: Peter Kurze, Udo Stünkel, Andrea Ziesemer
Verlag: Bogenschütz Verlag
ISBN: 3-927485-03-9 |
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Blick
aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Das Hauptwerk am Flughafen:
Fotos:
Werk Flughafen:
Die Hünefeldstraße war früher die Grenze des Werks, heute führt sie über
das Haupttor durch die Anlage.
Oben sind die markanten Dachreiter einer historischen Halle auf dem Gelände
des Flugzeugwerkes zu erkennen
Werk Hastedt:
Blick über das Werksgelände aus Richtung Süden
Der letzte der drei Luftschutztürme des Werkes Hastedt
Werk Hemelingen:
Bis vor einigen Jahren zeugte diese Mauer vom Werk in Hemelingen
Fliegertechnische
Vorschule Sebaldsbrück:
Eine Baracke in der FlTV Sebaldsbrück, inzwischen abgerissen.
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